Friedensverhandlungen
25 Brandenburg, Von Bismarck zum Weltkrieg
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Bulgarien war diesen vier Feinden nicht gewachsen. Es rief die
Hilfe des Zaren, den Beistand Österreichs an; es erbot sich in der letz
ten Verzweiflung sogar, dem Dreibund beizutreten. Aber niemand
wollte helfen. Man verwies den König Ferdinand auf direkte Verhand
lungen mit seinen Feinden. Er wandte sich schließlich direkt an König
Karl; nach einigen Mühen wurde der Kampf eingestellt und die Ver- “
handlung über den Frieden Ende Juli in Bukarest begonnen.
Die Großmächte legten sich nun die Frage vor, ob sie das Ergebnis
dieser direkten Verhandlungen unter den Balkanstaaten von vornherein
als bindend anerkennen oder sich das Recht der Überprüfung des
Ergebnisses Vorbehalten sollten. Österreich, das Bulgarien möglichst
wenig geschwächt zu sehen wünschte, war entschieden für einen solchen
Vorbehalt; ebenso England und Rußland. Deutschland widerstrebte
von Anfang an aus Gründen, die wir gleich kennen lernen werden.
Schließlich behielt man sich den Entschluß über Anerkennung oder Nicht
anerkennung vor, bis die Abmachungen vorliegen würden.
In Bukarest zeigte sich sofort, daß Serbien und Griechenland
darauf bestehen würden, fast ganz Mazedonien zu behalten und daß
dagegen nichts zu machen sei. Ein heftiger Streit entstand aber, als
Griechenland auch den thrazischen Hafen Kawalla beanspruchte, wäh
rend Bulgarien am Ägäischen Meer nur den weniger günstig gelegenen
Hafen Dedeagatsch behalten sollte. Es fand Unterstützung bei Frank
reich, während Rußland und Österreich, die sonst immer Gegner waren,
für Bulgarien eintraten. England vermied eine entschiedene Stellung
nahme, da es seine Verbündeten geteilter Meinung sah. Italien
schwankte ebenfalls. Deutschland hingegen nahm in dieser Frage sehr
entschieden Partei, und zwar für Griechenland.
Am 18. März war König Georg von Griechenland in Saloniki er
mordet worden. Sein Sohn und Nachfolger Konstantin war der Schwa
ger des deutschen Kaisers. Die Königin erbat gleich beim Beginn der
Friedensverhandlungen telegraphisch die Untersützung ihres Bruders
für die Wünsche Griechenlands und erhielt umgehend seine Zusage 48 ).
Waren es aber nur Familieninteressen, die diese Haltung des Kaisers
bestimmten? Er selbst hat dies entschieden bestritten. Er sah in
Griechenland einen künftigen wertvollen Bundesgenossen und konnte
darauf hinweisen, daß König Konstantin bereits seinen Beitritt zum Drei
bunde angeboten habe. Staatssekretär v. Jagow teilte diese Auffassung.
Infolgedessen wirkte Deutschland nicht nur in Wien, Rom, London und
Petersburg für die Zuteilung Kawalias an Griechenland, sondern der Kai
ser bat auch direkt den rumänischen König, seinen Einfluß während der
Friedensverhandlungen in diesem Sinne geltend zu machen. König Karl
erwiderte, ihm persönlich sei es gleich, wer Kawalla bekomme; bisher
sei er mehr für Bulgarien gewesen; da aber Deutschland so energisch
48 ) Die Königin an den Kaiser, 31. Juli. Antwort des Kaisers, 1. August.