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Vertrag über die Bagdadbahn
stattfinden solle. Nach längerem Verhandeln über den Wortlaut fand
die endgültige Paraphierung am 20. Oktober 1913 statt 14 ).
Im folgenden Frühjahr versuchte die deutsche Regierung den for
mellen Abschluß des Vertrages durchzusetzen, ohne daß die von England
geplanten Veröffentlichungen jetzt stattfänden. Grey verweigerte das, da
er versprochen habe, keine Geheimverträge zu schließen und erklärte,
bis zur Genehmigung durch das Parlament sei das frühere Abkommen
als gültig anzusehen. Lichnowsky, unterstützt von Rosen, drang auf
Genehmigung der englischen Bedingungen, also Abschluß und Ver
öffentlichung aller drei Verträge. Aber erst gelegentlich einer persön
lichen Anwesenheit in Berlin Anfang Juli 1914 erlangte er die Geneh
migung des Reichskanzlers dazu unter dem Vorbehalt, daß die Ver
öffentlichung erst im Spätherbst erfolgen solle. Jagow war auch jetzt
noch dagegen und äußerte offen seinen Unmut, daß Lichnowsky den
Engländern zu weit entgegengekommen sei 15 ).
Gleichzeitig wurde über einen zweiten wichtigen Interessenaus
gleich verhandelt, über die Frage der Vollendung der Bagdadbahn.
Nachdem auch mit Frankreich ein vorläufiges Abkommen darüber erzielt
war (Februar 1914) wurde im Mai nach langen und schwierigen Einzel
verhandlungen zwischen Deutschland und England folgendes verein
bart 15a ): Die deutsche Bagdadbahn-Gesellschaft verzichtet auf das ihr
zustehende Recht zum Bau der Endstrecke von Basra bis zum Persischen
Golf. Diese darf überhaupt nur nach Verständigung zwischen der
deutschen, englischen und türkischen Regierung gebaut werden. Die
Häfen von Bagdad und Basra baut eine türkische Gesellschaft, an deren
Aktienkapital England bis zu 40 % beteiligt sein darf. Deutschland
wird weder einen Hafen noch eine Bahnstation am Golf ohne vor
herige Verständigung mit England erwerben oder deren Bau finan
ziell unterstützen. England verpflichtet sich, keine Konkurrenzstrecken
gegen die Bagdadbahn zu bauen oder zu finanzieren. Deutschland
erkennt die Rechte der von der Türkei im März 1913 konzessionierten
englischen Gesellschaft für die Schiffahrt auf dem Euphrat und Tigris
an. Die Bagdadbahngesellschaft darf 40 °/o des anfänglich der Türkei
reservierten Aktienkapitals (20 % des Gesamtkapitals dieser Gesell
schaft) erwerben. Sobald die Bahn bis Basra vollendet ist, erlöschen
die der Bagdadbahngesellschaft von der Türkei gewährleisteten finan
ziellen Unterstützungen. Beide Mächte werden gemeinsam für dauernde
gesicherte Schiffsverbindungen von Basra bis zum Golf Sorge tragen.
Falls die Endstrecke gebaut wird, soll für durchgehenden Verkehr
14 ) S. besonders Lichnowsky, 17. Januar, 20. März, 13. Mai, 2. Juli,
17. Juli, 28. Juli 1913. jagow an Solf, 12. Februar, an Lichnowsky, 30. Juni,
21. Juli, an Treutier, 4. August.
15 ) Lichnowsky, 29. Januar, 7. Februar, 1. 7. 26. März, 1. April, 23. Mai,
4. Juni, 14. Juli 1914. Gutachten Rosens, 30. Mai. Jagow an Lichnowsky,
29. Mai, 25. und 27. Juli.
15a ) Endgültiger Vertragsentwurf vom 11. Mai.