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Frankreich und Rußland
sterung entflammt werden konnte. Als Poincard im November 1912
dem deutschen Botschafter sagte, es sei ein entsetzlicher Gedanke,
Deutschland und Frankreich wegen der Orientfragen, die ihre Lebens
interessen nicht berührten, in Krieg geraten zu sehen, war Herr
v. Schön geneigt, an den Ernst dieser Worte zu glauben, fügte aber
seinem Bericht die Warnung hinzu, wenn es doch zum Kriege komme,
werde Frankreich doch sicher im Vertrauen auf seine neu gekräftigte
Armee „den großen Einsatz in der Hoffnung auf siegreiche Lösung der
seit 40 Jahren zwischen Frankreich und uns liegenden Frage wagen 18 ).“
Zwar gab es auch hier noch immer eine starke Richtung, die dahin
drängte, mit Deutschland in Frieden zu leben und die Vergangenheit
ruhen zu lassen. Ihre Hauptvorkämpfer waren die Sozialisten, an
ihrer Spitze Jaures; aber auch Führer der bürgerlichen Linken wie
Caillaux und Combes gehörten ihr an. Sie war im Sommer 1914 so
stark, daß sie einen Wechsel des Ministeriums erzwang; einen Augen
blick schien es damals, als werde die Mehrheit der Kammer jedem
neuen Minister des Auswärtigen ihr Vertrauen verweigern, der sich
nicht zur Aufhebung der dreijährigen Dienstzeit verpflichte. Maurice
Palelogue, seit Anfang des Jahres Botschafter in Petersburg, hat uns
in seinen Erinnerungen erzählt, mit welcher Anstrengung er, damals
gerade in Paris anwesend, dagegen gearbeitet hat, wie er allen sagte,
ein solcher Entschluß werde das Ende des russischen Bündnisses
bedeuten und Frankreich zur politischen Ohnmacht verdammen. Er
vertrat die Meinung, daß ein Krieg in naher Zukunft unvermeidlich
sei, verschweigt aber die Gründe, die er dafür ins Treffen geführt
hat. Wahrscheinlich entnahm er sie seiner Kenntnis von der krie
gerischen Stimmung der Panslavisten und der Großfürstenpartei in
Petersburg, sowie Poincares und seines Kreises in Paris:.
In Rußland behaupteten zwar die leitenden Männer stets, an
Deutschlands friedliche Absichten zu glauben; aber im Herbst 1913
sagte Sassonow unserm Geschäftsträger, man fürchte sich immer vor
einer „Politik der Überraschungen“ von österreichischer Seite und
halte Deutschland nicht für stark genug, den Verbündeten zurück
zuhalten. „Österreich stelle seine Verbündeten stets vor ein fait
accompli; dieselben seien dann gezwungen, de faire V honneur a leur
signature 19 ).“
In Berlin war man sehr skeptisch in bezug auf Rußlands eigentliche
Absichten. Schon 1909 hatte, wie wir uns erinnern, Kapitän v. Hintze
seine Überzeugung dahin ausgesprochen, daß Rußland gegen uns los
schlagen werde, sobald es gerüstet sei, und uns nur bis dahin hinhalten
wolle. Der Kaiser hatte sich dieser Ansicht angeschlossen, während
unser Botschafter, Graf Pourtales, ihre Richtigkeit bestritt. Aber
18 ) Schön, 10. November 1912.
«) Lucius, 28. Oktober 1913.