Full text: Von Bismarck zum Weltkriege

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Veränderte Haltung Deutschlands 
klärung Serbiens die Unterhandlungen abgebrochen und mobilisiert 
habe. Auch in den leitenden Kreisen Berlins teilte man diese Empfin 
dung. Hier traf die serbische Antwort am 27. Juli nachmittags ein. 
Sie wurde am nächsten Morgen dem Kaiser vorgelegt, der eben 
von seiner Nordlandreise zurückgekehrt war. Er war erstaunt über 
das Entgegenkommen Serbiens und bemerkte dazu: „Eine brillante 
Leistung für eine Frist von bloß 48 Stunden! Das ist mehr als man 
erwarten konnte! Ein großer moralischer Erfolg für Wien; aber damit 
fällt jeder Kriegsgrund fort und Giesl hätte ruhig in Belgrad bleiben 
sollen! Daraufhin hätte ich niemals Mobilmachung befohlen!“ 
Unter diesem Eindruck der serbischen Antwort und des völlig 
entsprechenden Echos, das aus der Presse aller Länder und aus den 
Kabinetten der fremden Mächte nach Berlin drang, wurde man hier 
sehr bedenklich. Man befürchtete, daß jetzt Österreich als der ohne 
Orund angreifende Teil erscheinen, und daß daher, falls es zum all 
gemeinen Kriege kommen sollte, das Odium auf Österreich und seine 
Verbündeten fallen werde. Man war sich klar darüber, daß dies sowohl 
um der Stimmung im eigenen Lande willen, als auch aus Rücksicht 
auf die unbeteiligten Staaten und Völker durchaus vermieden werden 
müsse. Auch hatte man in den letzten Tagen bereits deutlich merken 
können, daß die Bundesgenossen Italien und Rumänien sehr wenig 
geneigt waren, den Bündnisfall als gegeben anzuerkennen, zumal ja 
Österreich nach wie vor hartnäckig jedes Angebot einer Kompensation 
an Italien verweigerte. 
Dazu kam noch ein weiterer recht bedenklicher Umstand. General 
Conrad ließ mitteilen, daß er einen Angriff mit ungenügenden Kräften 
für unrichtig halte, und daß der allgemeine Vormarsch voraussichtlich 
erst am 12. August werde beginnen können. Damit schwand die Mög 
lichkeit, durch schnelle militärische Niederwerfung Serbiens eine voll 
endete Tatsache zu schaffen, bevor andere eingreifen könnten. Es ist 
erstaunlich, daß Österreich, dessen Ziel ja diese Niederwerfung von 
Anfang an war, nicht nur die Unterhandlungen abbrach und mobili 
sierte, sondern auch formell den Krieg erklärte, ohne zu sofortigem 
Losschlagen gerüstet zu sein. Dadurch ergab sich die höchst un 
günstige Situation, daß man den Gegnern noch über 14 Tage Zeit 
lassen mußte, um diplomatisch einzugreifen oder ihre Rüstungen zu 
vollenden. 
Aus der völligen Umgestaltung der Gesamtlage, die durch diese 
Ereignisse und Nachrichten seit dem 27. Juli bewirkt wurde, ergab 
sich die veränderte Haltung der deutschen Politik seit diesem Zeit 
punkt. Obwohl der Kaiser Österreich gern die militärische Genugtuung 
einer Besetzung Belgrads gegönnt hätte, nachdem die Mobilisation 
einmal erfolgt war, mußte er doch einsehen, daß jetzt ein zurück 
haltender Einfluß in Wien dringend notwendig sei.. Der Reichskanzler 
war der Ansicht, daß Österreich der ganzen Welt jetzt erst recht
	        
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