Full text: Von Bismarck zum Weltkriege

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Haltung Englands 
beweisen müsse, daß es nur notgedrungen zur Wahrung seiner Lebens 
interessen das Schwert ziehe, nicht aber um andere anzugreifen oder 
Eroberungen zu machen. Man beschloß daher, energischer als bisher 
auf Österreich zu drücken, daß es mehr Entgegenkommen zeige. 
Am 28. Juli sandte Bethmann nach Wien den Rat, nochmals zu 
erklären, daß Österreich keine territorialen Erwerbungen machen und 
nur vorübergehend serbisches Gebiet besetzen wolle, bis die Er 
füllung seiner Forderungen gesichert sei. Wenn Rußland damit nicht 
zufrieden sei, werde sich die öffentliche Meinung Österreich wieder 
zuwenden. Allerdings erhielt Herr von Tschirsehky die schwere Auf 
gabe, diese Anregung so zu geben, daß der Eindruck vermieden werde, 
als wünschten wir Österreich zurückzuhalten. Auch war von einem 
Entgegenkommen in der Sache selbst in diesem Ratschlage keine Rede, 
wodurch der ganze Schritt den Charakter einer schwächlichen Halbheit 
erhielt. 
Am 29. Juli erneuerte England sein Vermittlungsangebot auf 
russischen Wunsch. Die Feindseligkeiten müßten vorläufig eingestellt 
werden. Höchstens könne Österreich etwa Belgrad und einige andere 
Plätze besetzen; dann müsse es aber Stillstehen und seine Bedingungen 
bekanntgeben. Grey fügte hinzu, England könne nur abseits stehen, 
solange sich der Konflikt auf Österreich und Rußland beschränke. 
Sollten Deutschland und Frankreich hineingezogen werden, so würde 
dies nicht mehr zulässig sein, und die englische Regierung würde sich 
unter Umständen zu schnellen Entschlüssen gedrängt sehen. Dem 
italienischen Botschafter sagte er noch, falls die Vermittlung an 
genommen werde, könne man Österreich ohne Krieg jede mögliche 
Genugtuung verschaffen, da die Serben auf alle Fälle mit Rücksicht 
und unter Zustimmung Rußlands gezwungen werden würden, sich 
den österreichischen Wünschen unterzuordnen. 
In der Tat bot dieser Vorschlag wohl die letzte Möglichkeit, den 
Frieden zu erhalten. Der Kaiser war jedoch über Englands Haltung 
entrüstet, weil er ohne stichhaltigen Grund angenommen hatte, daß 
England Rußland und Frankreich auf jeden Fall von der Einmischung 
zurückhalten werde. Der Reichskanzler wurde durch diese Mitteilung 
höchst bedenklich gestimmt; er machte jetzt den Versuch, durch das Ver 
sprechen, daß der europäische Besitzstand Frankreichs, Belgiens und 
Hollands in jedem Fall unangetastet bleiben solle, England zur Zu 
sicherung unbedingter Neutralität zu bestimmen. Dies wurde am fol 
genden Tage von Grey abgelehnt mit der Erklärung, daß es eine 
Schande für England sein würde, auf Kosten Frankreichs einen solchen 
Flandel mit Deutschland zu machen. Dagegen sei er bereit, falls 
Deutschland jetzt zur Erhaltung des Friedens mitwirke, später an der 
Herstellung eines allgemeinen Einvernehmens mitzuarbeiten, das 
Deutschland und seine Verbündeten gegen eine aggressive oder feind 
liche Politik der Ententemächte sichere.
	        
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