Russische Mobilmachung
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der Generalstab von Anfang an dagegen. Nach seiner Ansicht hätte
seine Ausführung die spätere Gesamtmobilisierung aufs äußerste er
schwert, da für einen allmählichen Übergang von einer Teilmobilisierung
zu jener der gesamten Armee überhaupt kein Plan ausgearbeitet war.
Da man hier nicht glaubte, daß der allgemeine Krieg vermieden werden
könne, und es aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht wünschte, so
verlangte man dringend die sofortige Gesamtmobilisierung.
Trotzdem hielten der Zar und Sassonow mehrere Tage lang an
ihrem ursprünglichen Gedanken fest. Der Minister schien nach dem
Urteil der deutschen Vertreter nach anfänglichem heftigen Aufbrausen
doch zunächst eine friedliche Lösung für möglich zu halten. Seit dem
26. Juli glaubten sie eine Änderung seiner Haltung wahrzunehmen.
Aber erst die Nachricht von der österreichischen Kriegserklärung an
Serbien (28. Juli) scheint ihn völlig umgestimmt zu haben. Auch er
trat jetzt für die Gesamtmobilmachung ein, die den Krieg zur kaum
vermeidlichen Folge haben mußte, während die anfangs geplante Teil
mobilisierung, da sie Deutschland nicht bedrohte, keine Gegenmaß
regeln von deutscher Seite nötig gemacht und eine weitere vermittelnde
Tätigkeit der Berliner Regierung ermöglicht haben würde. Auf
Sassonows und des Generalstabs Drängen Unterzeichnete der Zar,
sicherlich widerstrebend, in der Nacht vom 28. zum 29. Juli den Befehl
zur allgemeinen Mobilmachung, der nach Erfüllung der gesetzlich vor
geschriebenen Formalitäten am 29. abends an die Truppenteile ver
sandt werden sollte.
Da trat noch einmal eine Wendung ein. Gleich nach seiner Rückkehr
richtete Kaiser Wilhelm ein Telegramm an den Zaren, in dem er ihn
an die Solidarität der monarchischen Interessen gegenüber den Fürsten
mördern mahnte und zugleich mitteilte, daß er alles aufbieten werde,
um Österreich zu einer freundschaftlichen Verständigung mit Rußland
zu bewegen. Die von Wien her bereits abgegebene Erklärung, daß
man dort keine Eroberungen auf Kosten Serbiens erstrebe, biete dafür
eine geeignete Grundlage. Wenn aber Rußland rüste und Österreich
bedrohe, werde seine Vermittlung unmöglich werden. Dieser Schritt des
Kaisers blieb nicht ohne Eindruck auf den Zaren und veranlaßte ihn zu
dem Befehl, daß die bereits Unterzeichnete Ordre nicht abgeschickt, son
dern nur die Teilmobilisierung angeordnet werden solle. Man wagte
keinen offenen Ungehorsam; das Telegramm, das um 9 Uhr abends fort-
gehen sollte, wurde im letzten Augenblick angehalten, und einige Stun
den später nur der Befehl zur Teilmobilisierung abgesandt.
Am nächsten Vormittag (30. Juli) eilte Sassonow zum Zaren und
rang ihm, namentlich durch den Hinweis, daß man in Frankreich sonst
am Wert des Bündnisses irre werden müsse, von neuem die Zustim
mung zur Gesamtmobilisierung ab. Er teilte dies gegen Mittag telepho
nisch dem Chef des Generalstabs, General Januschkewitsch, mit und
legte ihm gleichzeitig nahe, nach Expedition des Befehls aus seinem