Full text: Von Bismarck zum Weltkriege

Deutsche Kriegserklärung an Frankreich 
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tärische Notwendigkeit schnellen Vorgehens in die Rolle des formellen 
Angreifers gedrängt werden würde. Noch am 30 Juli beschloß der 
Ministerrat, die Truppen bis auf 10 km von der deutschen Grenze zurück 
zuziehen, um jede Grenzüberschreitung von französischer Seite zu ver 
hüten. Dadurch sollte namentlich den Engländern Frankreichs Besorgt 
heit für die Erhaltung des Friedens dargetan werden. Als Deutschland 
dann tatsächlich den Krieg an Rußland erklärt hatte, wurde diese Tat 
sache sofort mit höchstem Nachdruck als Beweis dafür verwertet, daß 
wir die Angreifer seien, während die französische Regierung ihrem Volke 
verschwieg, daß Rußland es gewesen war, das durch seine un 
motivierte Gesamtmobilmachung die kritische Lage herbeigeführt hatte. 
Die Schwierigkeit für unsere Diplomatie war folgende: Unser 
Kriegsplan, der ja bereits vom Grafen Schlieffen ausgearbeitet war, 
beruhte auf dem Grundgedanken, daß der Zweifrontenkrieg nur da 
durch zu einem siegreichen Ende geführt werden könne, daß man 
zunächst denjenigen Gegner, der leichter vollständig niederzuwerfen 
sei, mit überlegener Macht angreife, den anderen aber vorläufig nur 
beschäftige, bis nach Besiegung des ersten alle Kraft gegen ihn ge 
worfen werden könne. Als der leichter völlig kampfunfähig zu machende 
Gegner galt Frankreich, da die Weiträumigkeit Rußlands einen ent 
scheidenden Sieg oder eine vollständige Besetzung des Landes aus 
zuschließen schien. Demnach sollten nach Ausbruch des Kampfes die 
ersten und schwersten Schläge gegen Frankreich fallen. 
Wie nun aber, wenn Frankreich in der Rolle des Zuschauers zu 
bleiben vorzog, bis Deutschland sich mit aller Kraft im Osten fest 
gebissen habe? Wenn es seine friedlichen Absichten beteuerte, die 
formelle Anerkennung des Bündnisfalles verzögerte? Selbst wenn es 
sich dabei nur um ein paar Tage gehandelt hätte, wäre der ganze 
deutsche Kriegsplan über den Haufen geworfen worden. Das durfte 
unter keinen Umständen sein, und daher bestand der Generalstab 
darauf, daß der Kriegszustand auch im Westen sofort herbeigeführt 
werden müsse. Denn daß Frankreich auf die Dauer neutral bleiben 
werde, wenn Deutschland und Österreich mit Rußland kämpften, glaubte 
natürlich niemand. 
Man glaubte in Berlin besonders klug zu handeln, indem man am 
31. Juli Herrn v. Schön beauftragte, dem französischen Minister die Frage 
vorzulegen, ob Frankreich neutral zu bleiben gedenke, falls es zum 
Kriege zwischen Deutschland und Rußland komme. Lautete die Ant 
wort, man werde seiner Bündnispflicht gemäß Rußland helfen, so 
konnte sich Deutschland für berechtigt halten, in dem Augenblick, 
wo der Krieg im Osten ausbrach, auch den Kriegszustand gegenüber 
Frankreich als eingetreten zu betrachten. Sollte aber etwa gesagt 
werden, Frankreich gedenke neutral zu bleiben, so hatte der Bot 
schafter die geheime Weisung, zur Sicherung dieser Neutralität die 
Einräumung der Festungen Toul und Verdun bis zur Beendigung des
	        
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