Full text: Von Bismarck zum Weltkriege

Deutsche Kriegserklärung an Frankreich 
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Kampfes im Osten zu fordern. Da diese Forderung natürlich abgelehnt 
worden wäre, hätte man alsdann wieder einen, wenn auch schon etwas 
bedenklichen Grund zur Kriegserklärung gehabt. 
Aber die französischen Staatsmänner waren viel zu vorsichtig, 
sich eine solche Blöße zu geben. Der Minister Viviani antwortete dem 
Botschafter am 1. August mittags auf seine Frage nur mit den 
Worten: „Frankreich wird tun, was seine Interessen ihm gebieten 
werden“. Der Botschafter berichtete diese Antwort nach Berlin, und 
hier zerbrach man sich nun den Kopf über die Art, wie man sich 
Frankreich gegenüber weiter verhalten solle. Die erste Regung ging 
dahin, den Franzosen zu erklären, daß man ihnen nicht die Wahl des 
Zeitpunktes für die Bedrohung unserer Westgrenze überlassen könne, 
und ihnen unter dieser Motivierung den Krieg zu erklären. Man sah 
aber doch wieder davon ab. Der Generalstab hoffte, eine formelle 
Kriegserklärung werde sich überhaupt erübrigen, da Frankreich wahr 
scheinlich, namentlich wenn unsere Forderungen an Belgien bekannt 
würden, durch die öffentliche Meinung gezwungen, kriegerische Unter 
nehmungen anordnen oder zum Schutz der Neutralität in Belgien ein 
rücken werde. Aber im Auswärtigen Amt glaubte man doch auf den 
förmlichen Abbruch der diplomatischen Beziehungen nicht verzichten 
zu können, und motivierte die Kriegserklärung schließlich mit einer 
Reihe von Grenzverletzungen, die teils sehr unbedeutend, teils nicht 
einmal einwandfrei festgestellt waren. Sie wurde am 3. August abends in 
Paris übergeben mit einer durch mangelhafte telegraphische Übermitt 
lung verstümmelten Begründung. 
Damit hatte Deutschland auch an dieser Stelle das Odium des 
Angreifers auf sich genommen. Die französische Taktik hatte trium 
phiert; hatten doch die Franzosen die ihnen gemeldeten deutschen 
Grenzverletzungen nicht zur Kriegserklärung benutzt, sondern nur 
formellen Protest dagegen erhoben. So konnten sie ihre Langmut 
dem deutschen Verfahren als Beweis ihrer Friedensliebe gegenüber 
stellen. Wie wohl überlegt dies alles war, zeigt Poincares Antwort an 
Iswolski, als dieser die deutsche Kriegserklärung an Rußland mitteilte 
und Frankreichs Bundeshilfe verlangte. Der Präsident erwiderte ihm, 
Rußland möge nicht auf einer sofortigen französischen Kriegserklärung 
bestehen, da voraussichtlich Deutschland seinerseits den Krieg erklä 
ren und dadurch „die Begeisterung des französischen Volkes für den 
Krieg erheblich steigern werde“. 
Gewiß war die Inszenierung dieser beiden Kriegserklärungen 
keine Meisterleistung der deuschen Diplomatie. Die tieferen Gründe 
für ihr Versagen in diesem entscheidenden Augenblick werden später 
noch zu erörtern sein. Aber man darf doch auch nicht vergessen, 
daß Deutschland angesichts der Mobilmachungen im Osten und Westen 
— denn auch Frankreich hatte am 1. August mobilisiert — in eine 
Zwangslage versetzt war, die keine andere Möglichkeit zuließ, als
	        
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