Full text: Kritik der Schleiermacherschen Glaubenslehre

VI 
Denkens, eine Beweglichkeit der Reflexion, welche allmäiig 
über ein poetisches und historisches Element in mir überherr 
schend ward. — Im Frühjahr 1825 verließ ich Berlin 
und ging nach Halle, wo ich ein Jahr lang mit F. W. Gen- 
the und H. Hinrichs sehr glücklich in angestrengten Stu 
dien lebte. Die Bekanntschaft mit Hinrichs weckte alle Er 
innerungen in mir auf, welche ich in Bezug auf die Hegelsche 
Philosophie aus Berlin mitbrachte. Ich hatte hier bei mei 
nem Freunde, Herrn v. H enni ng, einige Vorlesungen dar 
über gehört, auch die Encyklopädie Hegels nach Kräften 
durchdacht; aber wie sehr ich mich auch getroffen fühlte von 
dem einfachen, großartigen Bau des ganzen Systems, wie 
sehr mich gerade das Räthselhafte des Ansdrucks anzog, wie 
Vieles daraus tiefer, als ich ahnte, in mich eindrang — im 
Ganzen konnte ich mich nicht in diese Philosophie finden und 
genoß die größte Befriedigung nur in Schlciermacher. In 
Halle änderte sich dies. Seine Persönlichkeit bestimmte mich 
nicht mehr unmittelbar. Ich fing an, Hegels Phänomenolo 
gie und Naturrecht zu studiren und ward, durch erstere na 
mentlich, in eine ganz neue Welt entrückt. Die Bekannt 
schaft mit Hinrichs befeuerte diese Studien. Nun gerieth 
ich aber in die furchtbarste Entzweiung. Ich schwankte zwi 
schen Schleiermacher und Hegel verzweiflungsvoll hin und 
her. Immer tiefer öffnete sich mir die Kluft zwischen beiden. 
Auf der einen Seite das Nichtwissen des Absoluten aus der 
Jacobischen Philosophie, synthcsirt mit der praktischen Streb 
samkeit und monarchischen Selbstgenügsamkeit des Fichtia- 
nismus. Auf der anderen Seite das Wissen des Absoluten, 
die Idee als die sich selbst als alle Wahrheit wissende Wahr 
heit, die Tilgung alles Dualismus zwischen Sein und Den 
ken und zugleich die höchste Entäußerung seiner selbst, die 
gänzliche Unterwerfung des in seiner Unendlichkeit endlichen 
Ichs unter die Objectivität. Auf der einen Seite eine höchst 
gewandte, allein nur formelle Dialektik, eine reinliche, ge 
schmeidige Sprache. Auf der anderen Seite eine rein sach 
liche Dialektik, eine Entwicklung des Gegenstandes durch
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.