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auflas, was von der Niederlage übriggeblieben war; jene
Arbeiter, die am Leben geblieben und in Freiheit waren.
Er sammelte sie, um einen neuen künftigen Stützpunkt der
Arbeiterklasse zu schaffen. In diese äußerst schwere Arbeit
legte Lenin seine ganze Seele hinein. Er war fähig, sich
wochenlang mit einem Arbeiter abzugeben, der in den Kreis
seines Einflusses geriet, wenn dieser Schüler ihm irgendeine,
wenigstens die kleinste Hoffnung gab, einmal ein Führer seiner
Klasse zu werden.
Unter diesen Beschäftigungen — theoretischen und prak
tischen -— verliefen die Jahre 1911/12, als die ersten Anzeichen
einer neuen Belebung sich bemerkbar machten; die Ereignisse
an der Lena, die die Arbeiter von Petersburg und anderen
Städten aufrüttelten. In dieser Zeit, zum erstenmal nach der
Niederlage von 1905, gelang es uns, in Petersburg eine legale
Zeitung — „Der Stern“ — herauszugeben, die anfangs ganz un
regelmäßig, dann einmal wöchentlich und endlich zweimal
wöchentlich erschien. Später entstand aus ihr die „Prawda“.
Viele erinnern sich noch an diese Zeitungen und auf die un
geheure Wirkung, die die ersten Nummern des „Stern“ auf
die Petersburger Arbeiter ausübten. Die Herausgabe dieser
Zeitungen war mit ungeheuren Schwierigkeiten verknüpft. Als
wir begannen, hatten wir nicht einmal die notwendigen Mit
arbeiter. Es ging so weit, daß wir den Korrektor um keinen Preis
bekommen konnten: niemand wollte das Risiko übernehmen. Nur
der Sohn des Abgeordneten Poletajew, ein ISjähriger Gymnasiast,
hatte den Mut, die Korrektur des „Stern“ und später der
„Prawda“ zu übernehmen. Mit den Geldmitteln ging es nicht
besser. Die Zeitung wurde für die Groschen gedruckt, die die
Arbeiter und Arbeiterinnen Petersburgs buchstäblich pfennig
weise einsammelten. Und Genosse Lenin, der damals unweit der
russischen Grenze in Galizien lebte, um dem Schauplatz der Er
eignisse so nahe wie möglich zu sein, freute sich über jeden dieser
Pfennige, denn er war ihm der Beweis dafür, daß unser Einfluß
zunahm. Er saß mit dem Bleistift in der Hand da und zählte die
Arbeitergruppen, die ihre Beiträge für die „Prawda“ eingezahlt
hatten. Er sagte dann; „Es sind wieder mehr geworden. Wir
werden immer zahlreicher." Der Zarismus bereitete unserer Zei