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B. 1, 9 7. Die Reformation Lübecks
(Ordeninge der lubischen buten der stadt in erem gebede, 1531, bei Sehling 5,
S. 379 ff.). Eine „sunderge ordeninge“ erschien im gleichen Jahre für das
damals im Pfandbesitze der Stadt befindliche Möllen (Sehling S. 381 f.)
sowie fir Travemünde (S. 382 ff.). Diese Kirchen sind also srühzeitig der
Reformation zugeführt worden. Wie weit Bugenhagen an diesen Sonder—
ordnungen Teil gehabt hat, ist zweifelhaft (Sehling S. 377).
Auf besonderen Wunsch der Bürger blieb Bugenhagen auch nach Vollendung
der Kirchenordnung noch in der Stadt, um die neuen Verhältnisse zu befestigen.
„Viermal predigte er den Katechismus durch“ (Schreiber S. 80). In Lübeck
verfasite er seine kräftig-antikatholische Schrift „Wedder de Kelckdewe“ und über—
setzte mit mehreren Gehilfen die Lutherbibel ins Niedersächsische. Am 1. April
1534, also ein halbes Jahr früher als die oberdeutsche erschien das Werk, mit
welchem Bugenhagen der ganzen niederdeutschen Welt und damit auch unserm
Lande ein Geschenk von unschätzbarem Werte hinterlassen hat („De Biblie vth
der Vthlegginge Doctoris Martini Luthers yn dyth dydesche vlitich vthgesettet,
myt sundergen vnderrichtingen, alse man seen mach“, erster Druck in Witten-
berg). Erst April 1532 kehrte der Reformator nach Wittenberg zurück.
Schon bald nach seiner Ankunft in Lübeck, am s. Febr. 1531, hatte er einen
evangelischen Superintendenten für die Stadt (mitsamt den Landkirchen)
eingesetzt, und zwar in Gestalt des noch jugendlichen Rektors an der Schule,
Hermann Bonnus. Dieser treffliche, tüchtige Mann hat die neue Kirche
durch mancherlei Fährlichkeiten, denen sie noch weiterhin ausgefetzt wurde, mit
sicherer Hand hindurchgeleitet (f 1553)).
Lübeck hat das Erbe Luthers lange treu bewahrt. Unter durchweg tüchtigen
Superintendenten und Predigern hat sich hier ein ungemein blühendes kirchliches
Leben entwickelt und Jahrhunderte lang gehalten. In der Geistlichkeit hat sich
fast bis zur Zeit des Rationalismus dieselbe streng lutherische, orthodore Richtung
wie in Hamburg erhalten. Auf das kirchliche Leben der holsteinischen Nachbar.
schaft, besonders aber auf Lauenburg hat das lutherische Lübeck stark eingewirkt.
4. Bistum und Domkapitel nach der Reformation.
Es versteht sich von selbst, daß die Reformation Lübecks für den Bischof und
sein Domkapitel von entscheidender Bedeutung wurde: wurden sie doch in ihrer
Residenz wie Fremdlinge. Der Bischof hatte ja seinen Sondersitz in Eutin und
konnte sich dahin zurückziehen, die Domherren mußten notgedrungen in der Stadt
bleiben. Erst in den Wirren der Grafenfehde flohen Bischof wie Kapitel nach
Hamburg, wo sich die Verhältnisse schon beruhigt hatten, und fanden dort den
Schutz, den sie vorhin den Hamburger Kollegen gewährt hatten. Schließlich aber
wagten doch weder die Stadt noch der Herzog von Holstein ihre vom Kaiser
geschützten Rechte anzugreifen; sie konnten in ihre, Residenzen zurückkehren, und
Bistum wie Domkapitel blieben bestehen.
Nachdem Bischof Heinrich IIIBockhoht am 25. März 1535 in Ham—
burg gestorben war, wählte das Kapitel vorsichtiger Weise einen König Christian
6) Geboren 1504 zu Quakenbrück, studierte Bonnus seit Ostern 1523 in Wittenberg. Um
1528 wirkte er auf Gottorf als Erzieher des Prinzen Johann. Er hat sich um die nieder—
jächsische Hymnologie verdient gemacht. „An das 1530 — 45 gebräuchliche Rostocker Gesangbuch
von Slüter sich anlehnend, entstanden das Magdeburger und das Lübecker,, „gekorrigeret dorch
Magistrum Hermannum Bonnum, Superattendenten tho Lübeck““ (Schreiber S.“g82).