Herzog Christian wird König
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Mehrheit des Reichsrates wollte den Reformationsherzog nicht zum König.
Schon zu Lebzeiten König Friedrichs hatte man sein Auge auf dessen Bruder,
den jungen Prinzen Johann geworfen und Fürsorge getroffen, dasi er, um
ein Freund des alten Glaubens und ein williges Werkzeug des Reichsrats und
seines Aristokratenregiments zu werden, in Dänemark erzogen y Als nun
König Friedrich zu früh für die Pläne dieser Partei gestorben war, koönnte man
zwar den jungen Prinzen — er war erst 14 Jahre alt — noch nicht zum König
wählen, wohl aber wurde auf dem gleichzeitig mit dem Kieler Landtage (8. Juni
1533) eröffneten Kopenhagener Herrentange beschlossen, die Königs—
wahl um ein volles Jahr hinauszuschieben. Die Zwischenzeit wollte man dazu
benutzen, die Herrschaft der Aristokratie recht zu befestigen, und zugleich die bis—
herigen Fortschritte in der Reformation des Landes zurückzudämmen. In der Tat
hat man allerlei Masinahmen im Sinne einer kirchlichen Reaktion ver—
sucht: die Viborger Domkirche sollte dem alten Gottesdienste wieder überwiesen,
die Herrenklöster sollten zurückgegeben werden. Der Rezest vom 3. Juli bestimmte,
dasi die Bischöfe das alleinige Recht zur Einsetzung von Priestern oder Predigern
haben sollten. Ueber die Eintreibung des Zehnten wurden strenge Bestimmungen
erlassen; alles genommene Kirchengut sollte zurückgegeben werden. Man versuchte
sogar gegen den Haupthelden der reformatorischen Bewegung vorzugehen: Hans
Tausen wurde am 14. Juli vor den Reichsrat geladen und als Ketzer dazu ver—
urteilt, binnen eines Monats Seeland und Schenen zu verlassen. Aber bewaffnete
Bürger, die sich auf dem Altmarkt versammelt hatten, hinderten die Ausführung
des Urteils: Tausen blieb in Kopenhagen. Ueberhaupt hatten die antirefor—
matorischen Masinahmen der Bischöfe nicht viel Erfolg: wo evangelische Prediger
abgesetzt werden sollten, widersetzte sich das Volk, das überall schon zu weit auf
geklärt war, um sich das autokratische Regiment der Bischöfe gefallen zu lassen.
Und diese hatten nicht die Macht, ihren Willen durchzusetzen, da sie, in dem eigen—
süchtigen Streben, ihre persönliche Macht und Herrschaft auszudehnen, die Schaf—
fung einer starken Zentralgewalt unterlassen hatten. Der königslese Zustand schuf
unhaltbare Verhältnisse: das Reich war sozusagen in sieben Bischofsreiche auf—
geteilt und völlig außer Stande, den kemmenden Wirren kräftig zu begegnen.
Herzog Christian hatte persönlich durchaus keine Neigung, die dänische
Königskrone auf sich zu nehmen; er gönnte sie gerne seinem jüngeren Bruder und
war nur bereit, während dessen Minderjährigkeit die vormundschaftliche Regierung
zu führen. Anders aber dachten seine Berater, der tatkräftige deutsche Kanzler
Uthenhofen und Johann Rantzau als Vertreter der seh. Ritterschaft, die das
Heil der Herzogtümer und Dänemarks wie gleicherweise auch ihren eigenen Vor—
teil in der Einheit des Herrschers über beide Lande sah. Und sie haben ihren
Wunsch erfüllt bekommen: die merkwürdige Wendung, welche die politischen Ver—
hältnisse nahmen, und die furchtbaren Wirren, in die das Königreich gestürzt wurde,
haben es gemacht, das der Herzog von SH den dänischen Königsthron als ein
Eroberer bestieg.
Damit kommen wir zu einer der eigenartigsten Episoden der dänischen Ge—
schichte: der sog. Grafenfehde (1534- 360).
Sie ging von Lübeck aus. Hier hatte unter der Führung Jür gen Wullen—
wevers die demokratische Partei das Stadtregiment völlig in die Hände be—
kommen, und dieser tüchtige, aber überspannte Demagoge verleitete die Stadt,
sich in ein politisches Abenteuer zu stürzen, das schließlich ihre Kräfte weit über—
stieg.