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B. l, 6 9. Die Reformation Pinnebergs
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haben wir schon gehandelt (S. 82), von der letzteren haben wir jetzt noch anhangs—
weise das wenige, das wir davon wissen, mitzuteilen ).
In dem zur Reformationszeit neun Kirchen (Ottensen, Eppendorf, Rellingen,
Quickborn, Wedel, Nienstedten, Uetersen, Seester und Herzhorn) zählenden Ge—
bdiete — Altona begann erst jetzt zu existieren — regierten kirchlich der Hamburger
Dompropst, weltlich die Grafen von Schauenburg. Ständische Rechte gab es in
der Grafschaft nicht, die Landesherren übten eine fast unbegrenzte Herrschaft, und
da diese sich länger als die meisten norddeutschen Fürsten der neuen Lehre ver—
schlossen, mußte auch das holsteinische Ländchen, obwohl von bereits reformierten
Bebieten umschlossen, gehorsam auf die kirchliche Erneuerung warten.
Es liegt wohl nicht nur an dem auffallenden Mangel an geschichtlichen Nach—
richten, sondern entspricht auch der Wirklichkeit, wenn wir von freien Regungen
evangelischen Bewußtseins in der Herrschaft Pinneberg wenig hören. In
Seest er soll schon 15828 Tile Woltemar Luthers Lehre verründigt haben. Aus
dem Jahre 1546 wird von einem lutherischen Prediger in Eppendorf be—
richtet (vgl. oben S. 31), ebenso 1555 in Nienstedten und 1501 in Rel—
hingen. Und wenn 1556 Rumond Walther von Ottensen nach Hamburg
berufen wurde, darf man annehmen, daß dieser auch dort schon evangelisch ge—
predigt hat. Es ist wohl anzunehmen, daß die Durchführung der Reformation
in Hamburg auf das benachbarle Gebiet nicht ohne Wirkung geblieben ist. Aber
evangelische Predigt bedeutet ja noch keine Reformation. Diese geschah
imPinnebergischen erst 1561, nachdem Graf Otto, der sich mittler—
weile der evangelischen Lehre angeschlossen hatte, schon drei Jahre vorher in seinen
Stammlanden an der Weser die Reformation befohlen hatte.
Selten ist die kirchliche Aenderung gewiß in dem Maße von oben her gemacht
worden wie in der Herrschaft Pinneberg. Sie geschah nämlich also, daß der
gräfliche Drost am 23. Januar 1561 die Priester sämtlicher Gemeinden
auf den Pinneberg berief, und jedem einzelnen ein Exremplar der Mecklen⸗
hurger Kirchenordnungvon 15527) in die Hand drückte, mit dem
Befehl, daß sie sich fortan hinsichtlich der kirchlichen Zeremonien und Feiertage
danach zu richten hätten.
Es kann hier dahingestellt bleiben, in welchem Maße diese Kirchenordnung
von mecklenburgischen Theologen wie Riebling und Aurifaber oder von Magister
Philippus stammt“). Jedenfalls ist sie später von Melanchthon ganz als seine
Privatarbeit behandelt worden und vermöge seiner Autorität in nicht wenige
Kirchenordnungen wie die Kurpfälzische 1556, die Braunschweig-Lüneburgische
1556, die Hessische 18660 u. a. aufgenommen worden. Wir stehen also vor der
nteressanten Tatsache, daß eine speifisch Melanchthonische Ordnung 80 Jahre
hindurch in einem Gebiete unseres Landes gesetzliche Geltung gehabt hat. Denn
die im Jahre 16014 zu Stadthagen gedruckte „Kirchen—
ardnung vnser von Gottes gnaden Ernst Graffen zu Holstein, Schaven⸗
burg und Sternberg usw.“ ist nicht eine selbständige Schöpfung, sondern nur eine
i) Um die Erforschung der Pinneberger Reformationsgeschichte hat sich besonders V. Pauls
»erdient gemacht. Vgl. dessen Artikel im Jahrbuch für den Kreis Pinneberg 1918, S. 34 — 46
und seine Refgesch. S. 35 -37. Zu der Kirchengesch. des Gebietes überhaäupt: J. A. Bol⸗
weu, Hist. Kirchennachrichten usw. Bd. 2 (1791) S. 201 346.
) S. dieselbe bei Sehling, die ev. Kirchenordnungen, Bd. 5, S. 161- 219.
) Vgl. zu dieser Frage H. Schnell in den Jahrbüchern d. B. f. medl. Gesch. u. Alter⸗
humskunde, 604. Ig. 1899, S. 1277.