102
B. 2, K. 1, 9 14. Gottorfer Kirchenreg. 1880 - 1059
indem man ihm für einzelne Funktionen zwei weltliche Räte zugesellt hatte. Nun
hob man den Generalpropsten (Superintendenten) als kirchenregimentliche Instanz
ganz auf und übertrug seine Befugnisse auf eine dreiköpfige Behörde, die als
„Kirchenrat“ (Sacer senatus) bezeichnet wurde, und aus zwei Juristen,
don denen der eine auch den Vorsitz wird gehabt haben, und dem Hofprediger be—
stand'“). Damit hatte der Hofprediger das Recht der selbständigen Beratung der
Kanzlei in kirchlichen Dingen und des Vortrages vor dem Fürsten verloren. Ihm
blieben nur die Funktionen, welche von keinem andern als einem Geistlichen aus—
geführt werden konnten (Ordination und Examen), aber auch diese nur unter
Assistenz der beiden Juristen“). Wie wichtig diese Aenderung im Kirchenregiment
genommen wurde, ergibt sich daraus, daß in der neuen Redaktion des Prediger—
eides (vom 13. März 1010) die „Kirchenräte“ eigens als solche benannt wurden,
welchen die Geistlichen gehorsam zu sein und für sie zu beten sich verpflichten
mußten.
Trotzdem der neue Hofprediger so in seiner Macht stark beschränkt war, blieb
er doch der oberste Geistliche des Landes und konnte als solcher einen nicht un—
bedeutenden Einfluß ausüben. Selbstverständlich wurde erwartet, daß er diesen
Einfluß zur allmählichen Gewinnung der Geistlichen für den Kalvinismus aus—
üben werde. Von irgendwelchen Erfolgen Caesars in dieser Beziehung wissen
wir jedoch nichts. Sie werden jedenfalls sehr gering gewesen sein, einerseits weil
seine Persönlichkeit wenig Gewinnendes besasi, andererseits weil er in seinen Unter—
zgebenen nicht Leute von süddeutscher Lebendigkeit vor sich hatte, sondern Menschen
„von steifem Humor“, wie Landgraf Moritz sich ausdrückte“), Leute, welche im
passiven Widerstand außerordentlich zähe und kräftig waren. Ein wenig an—
sprechendes Beispiel von der Art, in welcher Caesar in der Bearbeitung der Geist—
lichkeit vorging, bietet der Briefwechsel zwischen ihm und dem unter königlichem
Patronat stehenden geistesmächtigen und gut lutherischen („ubiquitistischen““) Dom—
pastor Christian Sledanus?““), den uns Krafft S. 598 ff. aufbewahrt
bat. Von diesem war nach Gottorf das Gerücht gedrungen, daß er seinen „Ubi—
quitismus“ aufgegeben habe. Sofort mußte Caesar auf herzoglichen Befehl an
ihn schreiben, um ihn womöglich ganz zum Kalvinismus herüberzuziehen. Er erlitt
damit eine kräftige Abfuhr. Aus Rache denunzierte er einige Monate später den
Dompastor auf Grund einer Predigt als Patripassianer und Sabellianer. Sowohl
dies Verfahren wie die ganze Art seines Schreibens nimmt nicht für den Hof—
prediger ein: der Stolz und Hochmut, der ihm nachher von Bremen her nach—
gesagt wird, tritt auch hier unangenehm hervor. Die Art, wie Sledanus erwidert,
berührt freilich ebenso wenig angenehm.
) Vgl. neben Andr. a. a. O. auch das von mir Bu Mev9, S. 112f. mitgeteilte Ordi—
nationszeugnis.
27) Damit war eine Form des Kirchenregiments geschaffen, welche dasselbe weiter säkulari
sierte und in vielen cvangelischen Landen eingerichtet, in Dänemark und Schleswig-Holstein
jedoch bis zur Errichtung des Kieler Konsistoriums 1867 ausier in diesem Einzelfalle nie be—
standen hat. — Präsident des „Kirchenrats“ war jedenfalls im Jahre 1611 Jobaunvon
Wovern.
2) Vgl. Bu Meagðs, 385.
»n) Christian Sledanus (Schleiden?), Sohn eines Superintendenten zu Rostock,
geb. etwa 1570, hatte sich schon lange akademisch betätigt (seit 1004 Professor, 1010 Dr. theol.
in Rostock), als er 1614 zum Schleswiger Donpastorat berufen wurde. Er war ohne Zweifel
ein bedeutender Mann und Prediger. Aber er litt an starker Ueberschätzung seiner Person und
erwarb sich durch seine stark ausfälligen Predigten unter den Honoratioren eine nicht geringe
Feindschaft (4 1040). Val. Moller Il, 845f.