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B. 2, K. 1, 8 19. Behörden und Gemeinden
freundlicher und liebenswürdiger Mann, der nur aus tiefsten Gewissensgründen
den Pietismus zu bekämpfen sich gedrungen fühlte, wobei er die höfliche Form
allezeit gewahrt hat. Später mit ihm in öffentlichen Streit geraten, hat Muh—
lius ihn als „Idioten“ bezeichnet und geurteilt, daß ihm weder ingenium noch
judicium eigne. In der Tat ist er nicht so geistvoll wie Muhlius, nicht so lebendig
wie Schwartz gewesen, aber eine tüchtige Gelehrsamkeit, namentlich in talmudicis
hat ihm niemand abgestritten, und bei den Studenten ist er wegen der Klarheit
seines Vortrages sehr beliebt gewesen.
Als GS ewar er zugleich Propst von Flensburg und Rendsburg. Seine dog—
matische Schärfe, verbunden mit einem kindlich-reinen Gemüt und einem Mangel
an jener Weltklugheit, an der sein pietistischer Kollege so reich war, verursachte es,
daß er an „allerhöchster“ Stelle zuweilen ansties und eine königliche Korrektur
einstecken mußte. So in dem Fall Königsmann. Mag. Andr. Ludwig
Königsmann aus Schleswig, 1709 a. o. Prof. der Philosophie in Kiel, dann
Prof. am Gymnasinm zu Osnabrück, wurde 17160 als Pastor nach Dänischenhagen
berufen. Dassov hielt ihn des Synkretismus für verdächtig und weigerte sich, ihn
zu ordinieren. Königsmann beschwerte sich; der König ließ ihn durch die Kopen—
hagener Fakultät auf seine Lehre untersuchen, und er erhielt vor diesem Forum
das Zengnis genügender Orthodorie. Der König gab dem Flensburger Propsten
Andreas Hoyer den Auftrag, anstelle des GS Königsmann zu ordinieren, dem
GS eaber den Rat, in Beurteilung der Lehre eines Kandidaten künftig vorsichtiger
zu sein. Aehnlich erging es Dassov mit dem Flensburger Magister Abraham
Kall, der in Halle ein wackerer Pietist geworden war und zur Vermeidung
von Unannehmlichkeiten mit Schwartz im „Auslande“, nämlich in Charlotten—
burg einen Pfarrdienst angenommen hatte. Als 1720 seine Flensburger Mit—
bürger ihn an das Diakonat von St. Marien beriefen, widersetzte sich der GS,
mußte aber die Waffen strecken. So hat ihm seine starre Orthodoxrie keinesweges
nur Ruhm gebracht; in gewisser Weise ist auch er wie Schwartz schließlich ein
Märtyrer seiner Ueberzeugung geworden: der Zeitgeist entschied gegen ihn.
Persönlich aber steht er unanfechtbar da als ein Mann von reinem und edlem
Herzen. Von seiner Familie ist nicht viel zu sagen. Als er starb, stand er allein:
seine Ehefrau und sein einziger Sohn hatten ihn schon vorher verlassen “)
§19. Behörden und Gemeinden im 17. Jahrhundert.
Im Vorstehenden haben wir betrachtet, wie in unserer Periode (1517-1721)
das Kirchenregiment, das heißt die äußere Verwaltung des Kirchenwesens sich
historisch entwickelt hat. Damit haben wir ein gewisses Bild von der kirchlichen
Verwaltung, wie sie am Ende unserer Periode bestand, gewonnen. Aber es ist
noch nicht völlig deutlich. Denn erstlich liegen seine Züge verstreut hier und da,
und zum andern sind manche Einzelheiten, die notwendig zum Gesamtbilde ge—
hören, noch kaum zur Sprache gekommen. Ich halte es deshalb für notwendig,
nach dem Längsschnitt noch einen Querschnitt zu machen und in diesem Para—
graphen ein Gesamtbild von der kirchlichen Verwaltung
unseres Landes, wie sie sich im 17. Jahrhundert darstellt,
zu geben. Im Reformationsjahrhundert ist alles noch in einer gewissen Ent—
o Ueber Dassov ist wenig geschrieben worden. Das meiste findet man bei Thiesi, Band J.