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B. 2, K. 1, 9 19. Behörden und Gemeinden
4. Die geistlichen Gerichte (Konsistorien).
Ein fossiler Rest der alten Kirchenform, eine Institution, welche in das durch
die Reformation geschaffene neue Verhältnis zwischen Staat und Kirche im
Grunde gar nicht mehr hineinpaßte und deshalb auch schließlich aus der evan—
gelischen Kirchenform verschwinden mußsite, sind die für „geistliche“ Streitsachen
bestimmten, mit Geistlichen besetzten „ge i st li chen Gerischte“ oder Kon—
sist rien. Auch in unserm Lande sind diese nach Erlöschen der episkopalen
Jurisdiktion beibehalten, bzw. alsbald neu aufgerichtet worden *).
Die Sache, wenn auch nicht den Namen, finden wir schon 1528, wenn der
Propst Weidensee in Hader s leben ein oder zweimal jährlich zur Erledigung
der Ehesachen alle Priester seiner Propstei zusammenrief“). In den Bestallungen
der schleswigschen Superintendenten von 1540 dagegen (vgl. S. 95 f.) ist auch
die Sache nicht zu finden, vielmehr werden hier Amtmann und Propst als einzige
kirchliche Behörde genannt und insofern das spätere Kirchenvisitatorium vorgebildet.
Aber durch die Vereinbarung mit dem Domkapitel von 1541 und die KO ist
für den Bereich des Schleswiger Bistums ein (oberstes) Konsistorium im vollen
Sinne des Wortes eingerichtet worden (vgl. oben S. 113 und KO S. 104f,
125) als eine Behörde zur Unterstützung des Bischofs in „haderigen Eesaken vnde
wen Kercken vnde Prester edder Pastorn klagen edder vorklaget werden.“
Es scheint, daß auch nach der Landesteilung von 1544 dies Konsistorium zunächst
wenigstens in Ehesachen für ganz Schleswig die einzige und eutscheidende
Behörde blieb (Stemann S. 518). Aber schon bald finden wir im Herzogtum
Schleswig andere konsistoriale Bildungen: in Hadersleben, auf Nordstrand, auf
Fehmarn, in Flensburg, Husum, Eiderstedt u. a. (Stemann S. 519 ff.). Es ergab
sich ja auch ganz von selbst, das mit dem Zerfall des Bistums und der Uebernahme
des Kirchenregiments durch die einzelnen Landesherren auch die geistliche Gerichts—
bdarkeit territorial geregelt werden mußte, und zwar ergibt sich für die weitere Ent—
wicklung die Regel: wo eine Propsteigebildetwird, tritt dem
Propsten für die gerichtlichzuentscheidenden Sachen ein
Konsistorium zur Seite. Das Domkapitel blieb bis 1595 Ober—
konsistorium für den Gottorfer Anteil und Spezialkonsistorium für die Propstei
Gottorf, die anderen Landesteile entbehrten zunächst besonderer Oberkonsistorien.
In den Bestimmungen der KO über den Propsten von Hol stein ist von der
Einrichtung eines Konsistoriums nicht die Rede. Aber es verstand sich von selbst,
daß diesem, wenn er in seinem Gebiete sämtliche bischöfliche Funktionen ausüben
sollte, für die kirchengerichtlichen Angelegenheiten ein Konsistorium zur Seite ge—
*2) Bei uns sind bis zur Errichtung des Kieler Konsistoriums 1867 die Konsistorien stets
Gerichtsbehörden geblieben, wenn auch im 18. Jahrhundert den Oberkonsistorien einige
Verwaltungsaufgaben, wie die Abhaltung der theologischen Prüfungen übertragen worden sind.
Konsistorien als besondere Kirchenregierungen un Verwaltungsbehörden, wie sie
in andern evangelischen Gegenden Deutschlands schon früh eingerichtet worden sind, hat es bis
1807 weder bei uns noch in Dänemark gegeben, wenn man nicht den nur vorübergehenden
„Kirchenrat“ Herzog Johann Adolfs (vergl. oben S. 102) dahin rechnen will. Die kirchliche
Verwaltung ist bis zur preußischen Zeit stets (wie noch heute in Dänemark) bei den durch
geistliche Oberbeamte ergänzten allgemeinen Staatsbehörden geblieben. — An Litera—
tuer zu diesem Abschnitt vergl. besonders die S. 192 genannte Arbeit von Stemann, sowie
Matthäi S. 268 -79. Sehr lehrreich ist die ausführliche Instruktion für das Sege—
berger Konsistorium, die CDIt Il II, S. 400 - 424) zu lesen ist.
EXBSIV, 209.