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B. 2, K. l, 9 19. Behörden und Gemeinden
Bann erkennen; wenn dieser nicht half, und der Sünder sich nicht durch die
Kirchenbusie mit der Gemeinde versöhnte, hatte die weltliche Obrigkeit mit Strafen
einzutreten.
Was von vornherein und allgemein in evangelischen Landen die Konsistorien
vor allem beschäftigte, waren die Ehessach en (matrimonialia). Man darf
es doch wohl als eine Nachwirkung des Mittelalters und der katholischen Auf—
fassung von der Ehe als Sakrament ansehen, wenn diese nicht nach Luthers eigent—
icher Meinung als weltliche, sondern als geistliche Sache angesehen wurde. Zu
den Ehesachen, in denen die Konsistorien kompetent waren, gehörte alles, was auf
die Gültigkeit der Verlöbnisse Bezug hatte, Klagen auf Vollziehung der Ehe
und dergleichen, aber auch Fragen der Vaterschaft, der Entschädigung und Ali—
mentation, die Legitimität eines Kindes und dergleichen. Auch hatten die Kon—
sistorien darüber zu entscheiden, ob eine etwaige Weigerung der Eltern, ihre Ein—
willigung zu einer Eheschließung ihrer Kinder zu erteilen, berechtigt oder aufzu—
heben sei. Vor allem waren es die Ehescheidungssachen, in denen die geistlichen
Gerichte zu erkennen hatten, wobei zu bemerken ist, „daß nicht allein wegen Ehe—
hruch, Desertion, Lebensnachstellung, sondern auch wegen unüberwindlichen Hasses
oder tötlicher Feindschaft auf Scheidung erkannt ward“ (Stemann S. 543).
Die Strafen, auf welche die Konsistorien für den schuldigen Teil erkennen konnten,
beschränkten sich im allgemeinen auf Kirchenbuße oder Brüche ad pias causas;
über sonstige Strafen wie über vermögensrechtliche Streitfragen entschied das
veltliche Gericht. Eine fürstliche Konstitution vom 8. März 1709 verwies die
Klagen wegen einer Schwängerung und wegen Aussteuer, Alimentation und
Schadenersatz unter Vorbehalt der Kirchenbuße vor Ding und Recht.
Um über die Gültigkeit oder Rechtmäßigkeit einer Ehe entscheiden zu können,
mußten die geistlichen Richter über das kanonische Eherecht Bescheid wissen. Des—
halb verlangte die KO von den Kanonikern Kenntnisse im Römischen Rechte,
besonders in den Institutionen und im Arbor Consanguinitatis et Affini-
latis), den der Bischof oder ein anderer vom Kapitel auch gelegentlich öffentlich
erklären sollte ( KoO 102 f.). Später haben der Pastor Grassau in Neuen—
dorf und Propst Kirchhof in Itzehoe für den Gebrauch der Assessoren einen
Auszug aus den speziell Schleswig-Holsteinischen Verordnungen betreffend die
Ehesachen herausgegeben (Altona 1731).
Im 17. und 18. Jahrhundert fanden sowohl in den Unter- wie den Ober—
konsistorien wesentliche Veränderungen statt. Was die Prop'sstei-(Unter,)
konsistorien betrifft, so besteht die hauptsächlichste Veränderung darin, daß
der rein geistliche Charakter derselben z. T. aufgehoben wird. Zwar im Für st—
hichen Anteil ward erst durch Verordnung vom 18. Februar 1701 an—
geordnet, daß in allen Unterkensistorien die zwei oder drei ältesten obrigkeitlichen
Personen (Bürgermeister, Ratsherren, Hardesvögte usw.) beiwohnen und mit—
stimmen sollten, doch blieb der Propst allemal der Vorsitzende. Was den Kö—
niglichen Anteil anbetrifft, so scheint im Münsterdorfer Konsistorium von
vornherein der Amtsschreiber als Protokollführer mitgewirkt und der Amtmann
20) De arbore cons, et alf. war der Titel einer von Melanchthon verfafiten Schrift,
velche zusammen mit einem Neudruck von Luthers Traktat „Von Ehesachen“ und Bugenhagens
Schrift „Vom Ehebruch vnd weglauffen“ 1540 in Wittenberg herauskain. Lebtere hat insofern
zu unserem Lande eine besondere Beziehung, als sie durch ein von dem Husumer Reformator
H. Tast an den Amtmann von Gottorf gegebenes Gutachten veranlaßt wurde. Vgl. oben S. 20.