B. 2, K. 1, 9 19. Behörden und Gemeinden
Die Beschränkungen, welche das Patronat in den „gemeinschaftlichen“ Kirchen
durch die Neuordnung von 1036 erlitt, sind folgende: 1. Die Verwaltung des
Kirchenvermögens blieb zwar in den Händen des Patronats, wurde aber einer
behördlichen Kontrolle unterworfen. 2. Ebenso verblieb dem Patronat die Be—
setzung der Pfarrstellen, doch mit der doppelten Beschränkung a) nach oben, daß
nur vom GSequalifizierte Personen als Pfarrer in Aussicht genommen werden
durften, b) nach unten, das den Patronaten, was wohl bisher schon ziemlich all—
gemeines Herkommen gewesen war, nun zur ausdrücklichen Pflicht gemacht wurde,
nämlich allemal drei Kandidaten den Gemeindegliedern ad elisendum et nomi-
nandum zu präsentieren.
Mit diesen Beschränkungen, welche doch wesentlich nur dazu bestimmt waren,
die schlimmsten „Exorbitantien“ zu verhindern, hat sich dann das adelige Patronat
bis in die Neuzeit erhalten. Eine wesentliche Einschränkung seiner kirchen—
regimentlichen Macht war nicht eingetreten. Die Gemeindewahl hatte bei der
Abhängigkeit der meisten Gemeindeglieder nicht viel zu bedeuten. Die episkopale
Aufsichtsgewalt wurde bei den „gemeinschaftlichen“ Kirchen schwächer als bei den
„einseitig““ beaufsichtigten gehandhabt, zumal auch die geistliche Gerichtsbarkeit in
Gestalt des „Generalkonsistoriums““ wesentlich in den Händen des Adels blieb.
Die Junker waren kratzbürstige Leute und ließen sich nur schwer ein wirkliches
oder vermeintliches Recht abdingen. Wie sie einst in wackeren Fehden mit dem
Schwerte ihre „Libertät“ verteidigt hatten, so geschickt und hartnäckig waren sie
jetzt in der juristischen Vertretung ihrer Rechte. Daher sind die Archive voll von
Akten über langwierige Kämpfe zwischen Patronat und Regierung. Diese aber
übte bei der „Nobilität“ mehr Rücksicht und Langmut als bei ihren „gemeinen“
Untertanen.
So hat sich denn, wenn auch etwas beschränkt, die kirchenregimentliche Macht
des adeligen Patronats bis in die Neuzeit erhalten. Es mußte erst mit Preußen
ein kräftigeres Staatsregiment kommen, um das adelige Patronat seiner faktischen
Macht zu entkleiden und es zu einer ziemlich überflüssigen kirchlichen Ehrenstellung
zin gestalten.
Rücksichtsloser als in die Patronatsrechte des Adels hat das souveräne Fürsten—
regiment in die der städtischen und ländlichen Gemeinden ein—
gegriffen. Daß die Fürsten, wenn es sich um einen zum Propsten oder GS be—
stimmten Mann handelte (etwa in Hadersleben, Flensburg, Tondern, Rendsburg,
Segeberg) selber die Besetzung der betreffenden Pfarrstelle in die Hand nahmen,
wird man verstehen und billigen, zumal die betreffenden Gemeinden es sich zur
Ehre anrechnen konnten, mit solchem Pfarrer begabt zu werden. Es wird auch
in diesen Fällen in der Regel mit dem städtischen Magistrat Fihlung genommen
worden sein. Schlimmer war es, wenn in Kiel die Stadtpfarre zur bequemen
Besoldung eines Professors verwandt wurde oder Feldprediger ohne besondere
Verdienste aufgrund ihrer geistlichen Versorgungsberechtigungsscheine („Erpek.
tanzen“) Gemeinden mit guter Besoldung einfach „obtrudiert“ wurden “
*i) So z. B. in Eiderstedt zur Zeit des Nordischen Krieges (vergl. Feddersen, Eider—
stedt S. 66). Man hat bestritten, daß es bei uns ganz wie in der Römischen Kirche Expek—
lanzen gegeben habe. Aber wir haben schon gehört, daß J. Fabricius eine solche auf Garding
und Tönning bekam (S. 100). Seinem Konkurrenten, dem Stud. theol. Rudolphi stellte
Johann Adolf eine Erpektanz für die erste freiwerdende Pfarrstelle aus (St. A. XX, 769).
Am gleichen Orte sind solche Expektanzen zu finden für Mag. Joh. Ewald (1004) und Ezechiel
Stricker (1599).