Full text: 1517 - 1721 (2)

Das Kirchenpatronat 
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In Süderdithmarschen griff Christian IV. mehrfach gewalttätig in 
das freie Besetzungsrecht der Gemeinden ein, indem er Pfarren nach seiner Will— 
kür besetzte““). Als 16078 sämtliche Kirchspielvögte und Gevollmächtigte um 
Schutz ihres Patronatsrechtes supplizierten, erging die Königliche Antwort, daß 
man „aus sonderbahrer Königl. Gnade“ hinführo die Pastorate nicht mehr 
immeédiate besetzen, sondern der Gemeinde drei tüchtige Subjekte zur Wahl 
praesentieren wolle, dagegen bei den Diakonaten „zu mehrern Bezeugung 
ihrer zu der gesamten Landschaft tragenden besonderen Königl. Gnade, Hulde und 
Propension das Jus vocandi et eligendi ohngehindert zu ererzieren ver— 
gönnen wolle“. Also was man erst den Gemeinden gewaltsam entrissen hatte, 
bergönnte man ihnen nachher wieder, aber nur zum geringsten Teil! (CREHII, 
784 f.). Bei dieser Verminderung des Patronatsrechtes ist es dann in Süder— 
dithmarschen verblieben “). 
Die in Süderdithmarschen eingeführte Ordnung, dasi die Besetzung der 
Hauptpastorate, bzw. die Praesentierung zu denselben der Landesregierung 
beigelegt wurde, ist im Laufe der Zeit auf die meisten Stadtkirchen ausgedehnt 
worden. 
Im übrigen hat sich das Gemeindepatronat in Stadt- wie Landgemeinden bis 
in die Neuzeit erhalten. In einigen Fällen hat sogar die Regierung es neu ver 
liehen oder, so kann man es auch auffassen, das verlorene wiederhergestellt. So 
bei Schwabstedt und Hattstedt. 
6. Behörden und Gemeinden. 
Angesichts all dieser kirchenregimentlichen Behörden fragen wir uns unwillkürlich: 
wo bleibt denn eigentlich die von ihnen regierte Kirchengemeinde? Hatte die als 
solche keinerlei Rechte und entsprechende Pflichten? Freilich, nur müssen wir uns 
die Sache nicht so vorstellen, als ob durch die (lutherische) Reformation diese 
Gemeinderechte erst entbunden oder vermehrt wären. Die Gemeinderechte, welche 
wir nach der Reformation finden, sind wesentlich dieselben, welche auch schon in 
der katholischen Kirchenform bestanden haben, und das landesherrliche Kirchen 
regiment hat sein Regieramt kaum weniger scharf ererziert als die römische Hier 
archie. Wie die Kirchengemeinden von oben her angesehen wurden, zeigt schon die 
übliche Vezeichnung: die „Zuhörer“. Die zu einer „Pfarrei“ vereinigten ge— 
tauften Christenmenschen sind in erster Linie nicht Subjekt, sondern Objekt der 
kirchlichen Tätigkeit. In geistlichen Dingen sind sie völlig unmündig: der luthe— 
rische Pastor ist im Altluthertum so gut wie einst der katholische Priester nicht nur 
als Verkünder absoluter Autorität, sondern auch als Sakramentsspender einzig 
berechtigter Vermittler geistlicher Gnaden. Irgend eine „Kirchenverfassung“ 
existierte nicht, ebensowenig ein Zusammenhang der Kirchengemeinden als solcher 
untereinander; wenn wir von „Synoden“ hören, so waren es stets klerikale Ver— 
sammlungen wie einst in der römischen Kirche. 
Also die „Gemeindefreiheit als protestantisches Prinzip'“, welche Rationalismus 
und Liberalismus verkündet haben, ist, was das Luthertum angeht, eine einfache 
geschichtliche Illusion ). 
*n) Die kräftige Protestation dagegen war der Hauptgrund des gegen den Propsten Matthäi 
beliebten willkürlichen Strafverfahrens (S. —173). 
) In Norderdithmarschen ist es von der Goitorfschen Regierung ungekränkt geblieben. 
u) Die „Gemeindefreiheit“ mit Synoden und Synodalausschüssen, welche das 19. Jahr⸗ 
hundert auch in lutherischen Landen in recht beschränktem Maße und ohne grosie kirchliche 
Feddersen, Kirchengeschichte, B. II. *4
	        
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