Full text: 1517 - 1721 (2)

248 B. 2, K. 1, 9 19. Behörden und Gemeinden 
Kandidaten wegen erheblicher Mängel in Lehre, Leben oder Fähigkeiten Einspruch 
zu erheben. Wir haben Beispiele davon, daß dies Gemeinderecht in einzelnen 
Fällen anerkannt worden ist. In der Mehrzahl freilich wird die absolute Fürsten— 
—X 
Ein positives Wahlrecht stand den Gemeindegenossen nur da zu, wo 
irgend eine patronatische Behörde oder der Landesherr das Praesentationsrecht 
besaß. Daß der Gemeinde drei Kandidaten zur Auswahl praesentiert wurden, 
war zwar eigentlich Vorschrift, aber nicht notwendig, um den Begriff einer wirk— 
lichen Wahl zu konstituieren. Als wirkliche Ausübung des jus eligendi wurde 
es auch gerechnet, wenn der Gemeinde nur ein Kandidat präsentiert worden 
war und dieser durch Mehrheit der Wahlstimmen genehmigt wurde. Man war 
ja überhaupt noch nicht so bürokratisch wie später. Wenn alle beteiligten Ge— 
meindegewalten sich aus irgendwelchen Gründen über einen bestimmten Mann 
einig geworden waren und gegen diesen sonst nichts vorlag, da erteilte das landes— 
herrliche Kirchenregiment gerne seine Bestätigung (confirmatio). Wir haben 
Beispiele davon, daß Gemeindewahlen von der Behörde kassiert wurden. Aber 
solche Kassation geschah nur aus wirklich erheblichen Gründen, nicht, wie eine 
pätere Bürokratie es wohl getan hat, um rein formaler Mängel willen. 
So erklärt es sich, das noch im 17. und bis tief ins 18. Jahrhundert hinein 
unzählige Male die Pfarrstellenabseits pomgesetzlichen Weges.z. s. 
durch güthiches Uebereinkommen der Berechtigten besetzt 
worden sind. 
In dieser Beziehung haben wir vor allem der familiären Succession 
der Geisthichen — Hedemann BumMG, S. 48 hat dafür den 
Ausdruck „Nepotismus der Geistlichkeit“ geprägt — zu gedenken, welche im 
17. Jahrhundert so häufig vorkommt, daß man sie fast als Sitte bezeichnen kann. 
Begünstigt durch die mittelalterliche Anschauung, daß die Pfründe ein vererbliches 
Lehen darstelle, durch den Mangel an einer genügenden Versorgung abgearbeiteter 
Prediger, ihrer Witwen und Kinder, durch die Notwendigkeit, das Inventar der 
Pfarrhufe einzulösen und dergl. wurde es üblich, daß der Sohn dem Vater, der 
Schwiegersohn dem Schwiegervater, der zweite Gatte der hinterlassenen Witwe dem 
ersten im Genuß der Pfründe folgte. So entstanden Jahrhunderte lange Suc— 
cessionen der gleichen Familie in männlicher oder weiblicher Erbfolge auf einer 
Pfarrstelle *). 
Die familiäre Succession hatte sich seit der Reformation so weit eingebürgert, 
daß man sie im 17. Jahrhundert hier und da als Gesentz betrachtete. So glaubte 
der alte Pastor Breckling in Handewitt, der Vater des berühmten 
Friedrich Breckling, ein Recht zu haben, sich über seinen Substitutus, Mag. Hart— 
wig Meier, deswegen zu beschweren, weil er „seine unbefreite Tochter nicht zur 
Ehe nehmen wollte“. Er erhielt jedoch unter dem 3. Januar 1001 den Bescheid, 
daß der König „sich des angezogenen, wider geistliche und weltliche Rechte lausen— 
des Herkommens bei den Pfarrdiensten, daß der Successor seines Antecessors 
6) Beispiele solcher Succession s. bei Hesd. a. a. O. und in seinem grosten Geschichtswerk 
S. 129 f., sowie bei Jensen l, 96. Aus Fabr. teile ich noch mit: der 67jährige Pastor 
zu Jellenbeke (Krusendorf), der einen sehr geringen Dienst hat, „welches anch seine Hände 
genugsam ausweisen“, bittet bei der Visitation herzlich, „dasi eine seiner Töchter (weil keine 
Söhne obhanden, die hiezu tüchtig) nach seinem Tode mit seinem Successore verehelicht und 
beym Amte gelassen werden, und also die seinigen seiner in die 39 Jahre geleisteten Dienste 
zu genießen haben mögen“.
	        
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