Kirchenlehre in der KO
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Verständnis der Kirchenlehre, für das, was Luther als dem Worte Gottes ent—
sprechend gelehrt hatte, und was die neue Kirchengemeinschaft vom „Papismus“
sowohl wie von den „Sakramentierern“ unterschied, lag eine symbolische Zu—
sammenfassung noch nicht vor.
Und doch fehlt es auch in der KO an bestimmten Normen für die zu
verkündigende VLehre nicht. Sie stecken in den im 0. Artikel genannten
„Büchern“ (S. 93 f.), „deren die Kirchherrn auf den Dörfern nicht entbehren
können“. Diese Bücher erscheinen zunächst als das vorgeschriebene Mienimum
an theologischer und praktischer Gelehrsamkeit der Pre—
diger — das geht daraus hervor, daß sie nur für die Landprediger ausdrücklich
vorgeschrieben werden: diese galten als die mindest gelehrten; ven den Stadt—
predigern wurde vorausgesetzt, daß sie nicht nur diese, sondern auch weitere Bücher
besässen und benutzten. Aber deutlich werden sie zugleich als Mor malbücher
bezeichnet, als „gute und bewährte“ Bücher, deren sich die Prediger bedienen sollen,
um von den „in diesen Zeiten“ so zahlreich erscheinenden „bösen“ Büchern nicht
„vergiftet“ zu werden.
Diese Normalbücher sind 1. die Bibel als die Quelle der wahren Frömmig—
keit — gemeint ist natürlich mindestens eine niedersächsische Ausgabe der Luther—
bibel. 2. Die Postillben Luthers?), natürlich auch in niederdeutscher
Sprache, da sie ja von den zu selbständigem Predigen noch nicht befähigten Geist
lichen zum Vorlesen benutzt werden sollten ( Ko S. 34). 3. Die Apologia Phi-
lippi) „in der die Lehre des Evangeliums verteidigt wird, auch angezeigt ist
(ostenditur) warum und was man glauben und lehren soll“. 4. Die loci
communes Philippi, die bekannte dogmatische Frühschrift Melanchthons, von
der es auch deutsche Uebersetzungen gab. Sie wird gekennzeichnet als das Werk,
in welchem etliche „Orte“ der Schrift (Hauptschriftstellen), deren Kenntnis am
aötigsten erscheint, abgehandelt werden. 5. Eine Auslegung des Katechismus)
mitssamt dem kleinen Katechismus Luthers. 6. Die Auslegungdes
29. Psalms durch D. Bugenhagen, zur Rechtfertigung der Kindertaufe und
seelsorgerlichen Tröstung der Mütter, deren Kinder vor oder in der Geburt ge
storben waren (MMi. S. 125)*). 7. „Der Unterricht der Misita—
toren au die Pfarrer im Kurfürstentum zu Sachsen“, gewissermasten als all—
) Gemeint ist die sog. Kirchenpost ilbe. Der in der KO sowohl wie in der Ord.
gebrauchte Plural eptspricht dem älteren Sprachgebrauch in der Bezeichnung eines derartigen
Predigtbuches (Mi. S. 115).
2) Es ist nicht klar, ob unter diesem Titel die Augsb. Konfession, die ursprümglich als
Apologie bezeichnet wurde, verstanden ist oder die später steits als Apologie bezeichnete grosie
Schrift Melanchthons. Für das erstere stimmen ältere Historiker wie Lackmann (lI, S.
383 s., Helv. efter Ref. l, ol und Lau S. 388, für das andere Rör dam und Mi—
chelsen. Letzterer meint mit J-MilIll, 181, daß es sich um eine Ausgabe handelt, in der
die Confessio mit der Apologia zusammengedruckt war.
) Man sollte erwarten, daßñ hier Luthers Grosßer Kat. genannt wäre, von dem es
schon 1529 eine niederdeutsche Uebersetzuna gab (Mi. S. 122). Diese mag ja auch vielfach
in unserm Lande angeschafft und gebraucht worden sein. Aber die Väter der KO haben wohl
noch weitere und vielleiht brauchbarere Katechismusbearbeitungen von der Zukunft erwartet.
— Der kleine Kat. lag bereits seit 1829 mit dem von Bugenhagen besorgten Hamburger
Kat. (vergl. S. 73) in der für unser Land erforderlichen plattdeutschen Form vor (Mi. S.
120). Eine Meuausgabe dieser Form des Kat., in welcher unser s. h. Volk mindestens hundert
Jahre lang sein Christentum gelernt hat, hat 1802 C. Mönkeberg Leranstaltet.
5) Diese Schrift ist in der Ord. noch nicht genannt. Sie ist von Bugenhagen gerade in
der Zeit der Abfassung unserer KO verfasit und ohne Frage auf seine Veranlassung ein-
zgeschoben worden.