Full text: 1517 - 1721 (2)

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B. 2, K. 2, 9 21. Philippismus und Luthertum 
Denken, das Luther von seiner Abendmahlslehre zur Ubiquität, Melanchthon von 
der orthodoxen Christologie zu einer kalvinisierenden Auffassung vom Abendmahl 
hingetrieben hatte, fehlte ihnen, und für eine tiefere Auffassung der lutherischen 
Gnadenlehre, welche konsequenterweise zur Lehre von'der absoluten Praedestination 
und zur Ausschliesung jeder Art von Synergismus führen mußsite, geschweige 
denn für die tiefsinnigen Spekulativnen eines Breuz fehlte diesem theologischen 
Durchschnitt jedes Organ. Durchgängig waren es einfach-fromme, praktisch-kirch⸗ 
iche. Leute ohne starkes religiöses Eigenleben, ruhig, friedliebend und loyal, und 
insofern den Fürsten und Obrigkeiten, denen die echtlutherischen Eiferer mit ihrem 
freien Mut, ihrem Bedürfnis zu bekennen, ihrem Drang zu genauer und scharfer 
Lehre, ihrem priesterlichen Selbstgefühl oft lästig wurden, weit sympathischer als 
diese. 
2. Luthertum und Philippismus in SH und Dänenark. 
Blicken wir nun vom großdeutschen Luthertum zu unserm Norden hinüber, so 
scheint es mir unzweifelhaft, daß sowohl in Dänemark wie in SHedie weitaus 
iberwiegende Mehrzahl der Theologen dem vulgären („lutherischen““) Philippis— 
mus anhing. Aber während wir in Dänemark keinen einzigen Vertreter des 
echten Luthertums kennen, finden wir in SHeimmerhin doch einige hervorragende 
Vertreter dieser Richtung. Nicht ohne Einfluß in dieser Beziehung war die 
Nähe Lübecks und Hamburgs, wo das entschiedene Luthertum zur Herrschaft ge— 
langt war (vergl. oben S. 14* f. 80). Dort wirkten nach Bonnus Tode die 
Superintendenten Curtius und Pouchenius in diesem Sinne, hier nach 
Joh. Aepin vor allem der originelle Jo achim Westphal. 
Als ältesten der uns bekannten echten Lutheraner unseres Landes nenne ich den 
schon S. 120 erwähnten Braunschweiger Peter Bokelmann, Pastor 
in Husum (f 1576)). Es ist von ihm bekannt, daß er in der Kirchendisziplin 
sehr scharf war, indem er die kleinsten Vergehen seiner Gemeindeglieder mit der 
Kirchenbuße belegte und die Anwendung nicht nur des Löse-, sondern auch des 
Bindeschlüssels forderte. Er war ein entschiedener Feind alles Kalvinismus und 
Kryptokalvinismus. Für das von Joachim Westphal, dem streng-luthe— 
rischen Pastor zu St. Catharinen in Hamburg herausgegebene Werk Confessio 
— 
in edler und würdiger Sprache gehaltenes Bekenntnis des Husumer Ministeriums 
bei. Für das starke Selbstbewußtsein, das ihn beseelte, spricht es, daß er dies 
korrekte Abendmahlsbekenntnis im Namen des ganzen Königreiches Dänemark 
und der drei Herzogtümer, Schleswig, Holstein und Stormarn abgab. Zum 
Kummer seines philippistischen Kollegen, des Archidiakonus Ha mer, nahm er 
auch in seinen Predigten öfter die kryptokalvinistischen Leipziger und Wittenberger 
vor. Daß er nicht ein bloßer Polterer, sondern in seinem lutherischen Bekenntnis 
wirklich theologisch tief begründet war, davon zeugt sein in demselben Buche ver— 
öffentlichter Brief an Westphal, in welchem er die Anerkennung der vollen, realen 
Communicatio idiomatum fordert und über Kalvins naive Auffassung von 
der lokalen Gegenwart der menschlichen Natur Christi im Himmel und seine 
kümmerliche Idee von der dextera Dei spottet. Seinem Sohne, dem späteren 
Pastor in Tetenbüll, hatte er eine derartige Verachtung Melanchthons beigebracht, 
daß dieser, als er exkaminiert wurde, weder die Loci noch das examen ordinan- 
) Vergl. über ihn bes. Krafft S. 123-130, 451 ff. 
) Vergl. Konk. S. 7211, 201 f.
	        
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