Luthertum in SH
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dorum Melanchthons gelesen hatte, was sein Examinator, der Superintendent
von Eitzen, mit grosiem Mißfallen bemerkte. So zeigte sich Peter Bokelmann
als entschiedensten Lutheraner und Antiphilipristen. Hätte er die Verhandlungen
über die Konkordienformel noch erlebt, so wurde das Gutachten der schleswigschen
Theologen doch vielleicht etwas anders ausgefallen sein, als es nun dank der rein
philippistischen Besetzung des Gremiums ausgefallen ist.
An zweiter Stelle nenne ich unter den entschiedenen Lutheranern unseres Landes
den jung (15605) verstorbenen Johannes Magdeburg, der von 1553
bis 1503 Diakonus in Lunden war. Er war ein Bruder jenes Joachim
Magdeburg, welcher wegen eines Spottgedichtes auf Melanchthon und die
Wittenberger Philippisten auf Betreiben des damaligen Hamburger Superinten—
denten Paul von Eitzen (1558) vom Rat jeines Dienstes entsetzt wurde. Jo—
hannes Magdeburg war ein Schüler und junger Freund des eben genannten West—
phal, und aus mehreren Briefen, die er an diesen aus Lunden geschrieben hat,
und die wir heute in Sillems schöner Ausgabe des Briefbuchs Westphals
lesen können“), ergibt sich, dasi er eine sehr wertvolle, tiefreligiöse, geistvolle und
feurige Natur war — er gleicht insofern seinem späteren Nachfolger im Lundener
Diakonat, Claus Harms. Wie tief ihm die Lehre von der Allgegenwart Christi
am Herzen lag, erkennt man daraus, daß er das Bekenntnis zu ihr gleichsam als
Etikette an den Anfang eines Briefes setzt. Sein Schreiben an Westphal vom
April 1557 (Sillem S. 269) beginnt (in deutscher Uebersetzung) also: „Heil
durch Jesum Christum, unsern einigen Erretner, allmächtigen Gott, Sohn des
allmächtigen Vaters, der überall gegenwärtig ist, den die Sakra—
mentarier nicht erkannt haben““). Wie tief dieser Mann in Luthers Lehre ein—
gedrungen war, erkennt man daraus, daß er in der üblich gewordenen Lehre von
der Mitwirkung der Menschen zu ihrem Heil einen Widerspruch gegen die von
Luther in De servo arbitrio gelehrten abselaten Praedestination empfand und
Brenzens tiefsinnige Spekulationen in sich auigenommen hatte. Tiefe Frömmig—
keit und schönen Formensinn verraten seine Umdichtungen der Psalmen Davids in
deutsche, nach bekannten Melodien singbare Kirchenlieder (Hamburg 15605)7).
Wie dieser Diakonus von Lunden in seinem Pastor Jödecke einen Ge—
sinnungsgenossen hatte, so ist überhaupt Dindmarschen die Gegend gewesen,
in der strenges Luthertum noch am meisten zu finden war. Das ergibt sich auch
aus den von Fehssse Machrichten von den Predigern Norderdithmarschens, S.
393— 418) berichteten Lehrstreitigkeiten wegen des unglücklichen Küsters Egi—
dius von Meldert in Wesselburen. Die dortigen drei Pastoren, unter
welchen einer ein Sohn Peter Bokelmanns war, erwiesen sich dabei nicht als
großzügige, sondern schon mehr als scholastisve und spitzfindige Anhänger der
echtlutherischen Lehre. Auch der Lehrstreit zwishen dem Propsten Peter Boye
und dem Diakonus Stephan Ramm in Meldorf über die Mitwirkung des
Menschen bei seiner Bekehrung scheint in dem Gegensatz zwischen echtlutherischen
und melanchthonischen Anschauungen begründe: gewesen zu sein, wobei der Dia—
konus als der jüngere die ersteren, der Propst als der ältere die letzteren vertrat “).
Vgl. dort S. 360, 367, 449, 478, 480.
6) Sehr charakteristisch in demselben Briefe das Ur:eil des Mannes über Melanchthon, den
ane einen im Punkte der Abendmahlslehre von irShberer besserer Erkenntnis Abgefallenen
eklagt.
7) Zehn Psalmen in Ph. Wackernagel „Deutides Kirchenlied Bd. IV, S. 340 ff.
8) Vgl. Rolfs in BuR 7, S. 302 ff.