Full text: 1517 - 1721 (2)

B. 2, K. 2, 8 21. Philiprismijs und Luthertum 
3. Paul von Eitzens theologische Stellung. 
Paul von Eitzen gehört nicht zu den grosien Theologen seiner Zeit: er hatte nicht 
Luthers Genialität, nicht Kalvins weltweiten Blick, er war nicht geistreich wie 
Flacius, selbst ein Westphal übertrifft ihn an Reiz und Schwung der Rede; er 
hatte die mehr nüchterne, „schulmeisterliche“ Art seines Meisters Melanchthon 
an sich, aber ohne dessen Eleganz: seine Schriften haben etwas Pedantisches an 
sich; sie sind so wasserklar und vielfach so breit, das sie ermüdend wirken. Aber 
er besaß eine tüchtige Gelehrsamkeit und hatte nicht nur in den alten Vätern 
und in seines Magisters Philippus, sondern auch in Luthers Schriften fleißig 
gelesen. Von mystischer Tiefe war seine Theologie weit entfernt, sie war auf 
den gesunden Menschenverstand zugeschnitten: alle nicht durch die orthodore, d. h. 
altkirchliche Lehre eingeführte und erlaubte Metaphysik lehnte er ab und hatte 
insofern für die hohen mystischen Spekulationen eines Brenz nicht das geringste 
Verständnis. Er hatte einen gesunden praktisch-kirchlichen Instinkt und ein starkes 
Gefühl für den Unterschied zwischen dem zur Pflege der Frömmigkeit notwendigen 
Praktisch-Erbaulichen und dem bloßen Theologengezänk. Dem persönlichen Kampf 
vermöge einer gewissen Friedfertigkeit seiner Natur abgeneigt, von einer etwas 
weibischen Empfindsamkeit und leicht gekränkt, am Schreibtisch tapferer als im 
persönlichen Verkehr, war er in jener kampferfüllten Zeit nicht gerade besonders 
geeignet, eine Führerrolle zu spielen, war jedenfalls seinem späteren Gegner Andreae 
in der Beziehung weit unterlegen. Aber er hatte ein treues und von aufrichtiger 
Sorge um die „arme betrübte Kirche“ erfülltes Herz. 
Seine theologische Stellungnahme zu den Fragen der Zeit wird von Anfang 
an durch zwei Marimen bestimmt: 1. Dadurch, daß er Luther und Melanchthon 
stets zusammen schaute, sie als einne geistige Größe wertete, und zwar so, daß er 
vuther als die absolute Autorität, Melanchthon als den berufenen Interpreten 
dieser Autorität ansah. Melanchthon ist ihm also nicht an sich selbst Autorität, 
sondern nur vermöge Luthers, testante ipso Luthero. Dieses Verhältnis 
der beiden Männer hatte sich durch die Eindrücke seiner Studentenzeit in Witten— 
berg — er hatte sie noch bei de gehört — für ihn festgestellt und ist lebenslang 
von ihm festgehalten worden. 2. Durch seine persönliche Treuegegen 
Melanchthon, die es ihm nicht, wie anderen Melanchthonschülern, erlaubte, 
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nehmen, sondern ihn allezeit bei der Meinung beharren liesi, daß sein Meister 
niemals (wesentlich) von Luther abgewichen sei. 
Es muß stark betont werden, daß Eitzen — sich selber unbewußt — im 
positiven Bekenntnis lutherischer war als sein Meister. Wor allem 
in der Abendmahlslehre und der Christologie, aber auch z. B. in der Lehre vom 
freien Willen. Dazu kam, daß er, in seiner hamburgischen Zeit in den Kampf 
Westphals und anderer gegen Kalvin hineingezogen, ganz anders als seine weit 
vom Schusse ab sitzenden und deshalb harmloseren späteren Amtsgenossen in 
Schleswig-Holstein einen scharfen Blick für die kalvinistische Gefahr gewann. 
So entwickelte er sich zu einem strammen Antikalvinisten und be— 
teiligte sich mit Eifer und innerer Anteilnahme an den Bestrebungen der Nieder— 
sachsen zur Firierung des gut lutherischen Charakters ihrer Kirchen. 
In diesem Sinne ist Eitzen allezeit ein guter Lutheraner gewesen, und es ist 
durchaus irrig, wegen seiner späteren Stellungnahme gegen das Konkordienwerk 
eine Art von Umfall oder eine Entwicklung vom „strengen Lutheraner““ zum
	        
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