Eitzens Theologie
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späteren „milden Philippisten“ zu konstatieren “). Das Wort Schlüsselburgs vom
„merkurialischen Wetterhahn““) mag in seinem in der Tat vielleicht nicht ganz
einwandfreien Verhalten gegenüber dem Lüneburger Bekenntnis einen gewissen
Grund haben — „wetterwendisch“ in weiterem Sinne, wandlungs- und ent—
wicklungsfähig ist von Eitzen nicht gewesen. Innerlich ist er sich selber allezeit
getreu geblieben, und sein ganzes Verhalten in den späteren Konkordienverhand—
lungen begründet eher ein Urteil auf allzu große Hartnäckigkeit, auf einen Mangel
an sachlicher Belehrbarkeit. Denn — das steht für mich fest — seiner theo—
logischen Position nach hätte Eitzen sich ebenso gut mit der Konkordie befreunden
können wie die Niedersachsen Selnecker und Chemnitz und die anderen lutherischen
Philippisten. Nachdem er aber einmal Stellung gegen sie genommen hatte, ar
beitete er sich in die Gegnerschaft mit einer Hartnäckigkeit und Konsequenz hinein,
die einer besseren Sache würdig gewesen wäre. Daßeer aber von vornherein
ein Gegner des späteren Konkordienwerks wurde, war kein Umfall, sondern
ein Ausflusssseiner Treue. Solange die Konkordie auf dem Fusie
der Gleichung Luther Melanchthon versucht wurde — das war ihre erste
Phase —, war Eitzen ihr überzeugter und eifriger Beförderer. Als sie sich aber
gegen Melanchthon wandte — das war ihre zweite Phase —, wurde er ihr
Feind. Er war und blieb bis an sein Ende derselbe: der Mann, der in der un—
getrennten und ungeschiedenen Vereinigung Luthers und Melanchthons das Heil
der Kirche sah.
So sicher nun aber von Eitzen ein „reiner“ Lutheraner sein wollte und es im
Vergleich mit den echten Philippisten auch war, so sicher ist es doch, daß die
Gesamtrichtung seiner Theohbogie rein melanchthonisch ist und vom
Geiste des wirklichen Luther kaum einen Hauch verspüren läßt. Dies will ebenso
für das innere Verständnis des weiter hier Mitzuteilenden wie bei der vielfach
üblichen Rede von dem „melanchthonischen Charakter unserer
Landeskirsche“, der doch historisch nur auf von Eitzen zurückgeführt werden
kann, beachtet werden.
Wenn man unter diesem melanchthonischen Zug die überwiegende Abneigung
gegen theologische Klopffechtereien, die Richtung auf untheologische, nur prabtisch
orientierte Kirchenarbeit versteht, so hat die historische Anknüpfung an Eitzen
und Genossen einen tatsächlichen Grund. Denkt man aber dabei an so etwas wie
theologische Toleranz, evangelische Freiheit, Fortschritt oder Modernismus, so kann
es nichts Irrigeres geben, als derartige Ideale historisch auf den Philippismus
Eitzens und seiner Freunde zurückzuführen.
In dieser Beziehung will Folgendes beachtet sein:
J. In der Aufsuchung und Bewertung von „Ketzereien“ bei ihren theologischen
Gegnern unterschieden sich die Philippisten prinzipiell nicht von den Gnesioluthe
ranern. Das konnten sie gar nicht, weil der ganze Altprotestantismus die
altkatholische Anschauung teilte, daß die ganze Christenheit auf Erden eine ab—
folut einhellige Lehre haben müsse. Wenn sie sich unterschieden, war es
höchstens in modo procedendi: die einen waren polternder und lärmender in
ihrer Ausdrucksweise und bedienten sich zur Ausrottung ketzerischer Anschauungen
gerne des Kirchenbanns: die andern waren leiser, vorsichtiger, unpersönlicher und
u) Das ist, wie mir scheint, die bisber bei uns übliche Benrteilungsweise gewesen. Val.
Lausund I⸗M.
17) Theolossia Calvinistarum II, 134.