Torgauer Bedenken, 1570
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Beide Fürsten haben sodann gesondert die Gutachten ihrer Theologen nach
Dresden geschickt, samt sehr höflichen und freundlichen Begleitschreiben, in denen
sie ihren herzlichen Wunsch, daß das vom Kurfürsten begonnene Einigungswerk
guten Fortgang haben möchte, zum Ausdruck bringen. Indem sie jedoch den Gut—
achten nichts hinzufügen oder ihnen widersprechen, haben indirekt auch sie ein
Mein ausgesprochen, und ihre schönen Wünsche werden zu einer hohlen Phrase.
Ihr Nein ist ohne Frage mehr als durch die Gutachten ihrer Theologen durch
die schroff ablehnende Stellungnahme ihres mächtigsten Mitherzogs, des Königs,
bedingt gewesen. Der Königliche Statthalter Heienrich Rantz au wird nicht
versäumt haben, den Mitherzögen die Meinung des Königs gehörig klar zu machen.
So ist also das gute und sorgfältige Werkder Torgauer
Therelogen in unserm Lande einstimmig abgelehnt wor;
den).
4. Aufnahme des Bergischen Buches in SH, 1577 -,78.
Nachdem die Zensuren über das Torgische Bedenken fast sämtlich eingelaufen
waren, wurde dasselbe durch die von den Kurfürsten ven Sachsen und Branden
burg dazu verordneten Theologen im Kloster Bergen (bei Magdeburg) einer Re
vision unterzogen (1. März bis 28. Mai 1577). So entstand das sogen. Ber—
gissche Busch (die solida declaratio des Konkordienbuches). Der Tert war
im ganzen der gleiche geblieben, doch hatte man zum Teil gekürzt und im übrigen
die letzten Reminiszenzen an die Autorität Melanchthons getilgt.
Es war von vornherein nicht die Meinung der „Bergischen Wäter“, daß die
so verbesserte Formel noch einmal zu freier Diskussion gestellt werden sollte, viel—
mehr dachte man sich den mühsam erarbeiteten Tert als endgültig. Die neue
Formel sollte ebenso wie das Torgische Bedenken den evangelischen Ständen einzeln
zugestellt und von denjenigen, deren Zustimmung bestimmt erwartet werden durfte,
die sofortige Unterzeichnung durch die Geistlichkeit gefor—
dert werden. In dieser Art erfolgte im Laufe des Jahres 1577 in den meisten
norddeutschen Territorien die allgemeine Subskription. An etlichen Orten, wie im
Wittenbergischen, Magdeburgischen und Neumärkischen, musite ein wenig nach—
geholfen werden; im übrigen machte die Unterzeichnung bei der im allgemeinen
geringen theologischen Selbständigkeit der Geistlichen wenig Schwierigkeit, am
allerwenigsten in den niedersächsischen Gebieten: Lüneburg, Hamburg, Lübeck schlos—
sen sich segar mit Begeisterung dem neu festgestellten Luthertum an.
Eine besondere Behandlung erforderten die Reichsstände, deren Theologen das
Torgische Buch deutlich abgewiesen hatten, also vor allem Anhalt, Hessen und —
Gottorrschen, auch dieselbe Stellung zu Melanchthon: er ist der geliebte und gebrauchte Lehrer,
aber nicht kraft eigener Autoritat, sondern vermöge der Billigung durch Luther; auch sie haben
die Aenderungen, welche Melanchthon in den späteren Ausgaben der loci, namentlich im locus
de libero arbitrio vorgenommen hatte, mit kritischen Augen betrachtet.
) Der abgeteilte Herr, Jo hanmned. J., der schliesilich auch eine Abschrift des nach Hol—.
stein gesandten Eremplars des Torgischen Bedenkens in die Hände bekommen hatte, hat, ehne
ein Gutachten einzusenden, an den Kurfürsten nur kurz geschrieben, dasser die Schrift „Gottes
Wort gemäß“ finde. — Damit hat er das Lob Hütters (Concordia concors) geerntet,
wahrscheinlich ohne Verdienst und Wurdigkeit, da er das schwierige theologische Werk schwerlich
wird gelesen haben. Irgendwelche praktischen Folgen hat seine Zustimmung nicht gehabt: an
eine Einführung der Konkordienformel in sein Landchen hat er nie gedacht.