Eitzens Privatkampf, 1577 -3 70
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„Denn daß ich der andern Kirchendiener aller geschweige vnnd allein von
D. Paulo von Eitzen rede / So hat derselbe Anno 70 zu Wittenberg / zu denen
damals gegenwertigen jhrigen Theologen gesagt wenn sie jhre Gottslästerliche
Lehre nicht würden wiederruffen / die sie von der Person Christi desselben Jahrs
disputirt haben /daß gantz Nieder Sachsen wieder sie schreiben werde'“). Ist nun
D). Eitzen noch derselben Meinung / wie kan er dan mit Hemingio einig seyn / der
eben das geschrieben vnnd zu Copenhagen disputiret hat / vnnd zu Genff gedruckt
worden / was die Wittenbergischen Theologi Anno 70 daselbst wider GOTTES
Wort vnd Luthers Lehre disputiret vnd durch den Druck außgebreitet haben
welches gedachter 1). Paulus als ein Ketzerey wie es auch ist / Anno 70 mit
grosisem erust vnd eyffer verdampt hat.“
Indem Andreae sich erbietet, dem I. Panlus „den Kopf zu bieten vnd Fust
zu halten“, erklärt er noch einmal alles von ihm Vorgebrachte für „schändlichen,
vnverschämten, Zwinglischen, Calvinischen und Sacramentirischen Ungrund und
mutwillige, teuflische Calumnien, deren sich ein Christenmensch, geschweige denn
ein D Theologiae schämen sollte.“
Diesen temperamentvollen Bericht Andreaes übersandte der Kurfür st unter
dem 0. Mai an Herzog Adolf und ersuchte ihn, wenn sein Superintendent das
heilsame Werk der Christlichen Konkodie nicht zu fördern bereit sei, wenigstens zu
verhindern, daß derselbe dawider schreibe und unnötige, mutwillige Gezänke errege.
Der Kurfürst verlangte also förmlich, das der Herzeg seinem Superintendenten
das Maul stopfe. Wie weit der Herzog Adolf dieser Anregung Folge geleistet hat,
steht dahin. In irgend einer, wahrscheinlich recht humanen Form wird er wohl
dem ihm so werten, treuen und lonalen Diener von dem Wunsche des Kurfürsten
Kenntnis gegeben haben. Es scheint, als ob er mit Herzog Johann gemeinsam
allen Predigern befohlen hat, diese Streitigkeiten „in Predigten und sonsten“
nicht zu berühren“). Den Bericht Andreaes dagegen scheint der Herzog, um die
Aufregung Eitzens nicht noch zu steigern, demselben gar nicht mitgeteilt zu haben.
Hätte der Superintendent dieses ihn sachlich und moralisch geradezu vernichtende
Schriftstück gekannt, so wäre es kaum denkbar gewesen, daß er den Mut fand,
den Stier bei den Hörnern zu fassen und eine in der Form sehr demütige und
höfliche, aber inhaltlich recht scharfe und von ungebrochenem Selbstbewußtsein
zeugende Bittschriftanden Kurfürsten zu richten (28. Juni 79) *).
Nur die Liebe zu Gott — so schreibt er — und der Wunsch, am jüngsten Tage
eine gute „Conscientie“ vor dem Richterstuhl Christi zu haben, treibe ihn zu diesem
Schritte, und mit feierlichen Worten beschwört er den Kurfürsten, die Publikation
der Konkordienformel zu unterlassen oder wenigstens damit zu verziehen, bis durch
einen freien christlichen Spnodum oder (als erste Maßnahme) durch ein christlich
Kolloquium friedsamer und gottesfürchtiger Theologen mit den Autoren des Buches
in Gegenwart des Kurfürsten das Buch selber und seine Merfasser auf Lehre und
Gesinnung geprüft seien.
Die erhoffte Wirkung auf den Kurfürsten glaubte von Eitzen dadurch verstärken
zu können, dasi er die Supplik zunächst an die ihm wahrscheinlich persönlich be
kannte Kurfürstin Anna sandte, in Bealeitung eines kurzen Schreibens,
*) Andreae spielt hier auf ein Erlebnis an, das er mit Eitzen nach dem Zerbster Konvent
in Wittenberq gehabt hatte (vergl. Kont. S. 70j.).
**) Val. Kont. S. 171. Das beir. Ediktt ist freilich nicht nachzuweisen, kann aber sehr
wohl, wie so vieles, verloren gegangen sein.
2u) Zu lesen in Dän. Bibl. IX, S. 427-2404. Ein Teilstück s. Konk. 2555.