Gottorfer landeskirchliches Bekenntnis
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Diesem Bedürfnis hatte die Konkordienformel abzuhelfen versucht. Da Eitzen
sie in dieser Beziehung für unbrauchbar hielt, ja der Meinung war, daß sie „zu
gravsamen Schwermercien vnd vnendlichen gezencken böse gründe lege“, so unker—
nahm er es, von seiner theologischen Bedeutung voll und ganz überzeugt, selber
in die so entstandene Lücke einzutreten und seinen Geistlichen
und Gemeinden seinerseits die rechte Lehre in den Hauptartikeln zur Nachachtung
und zur Bewahrung für die „Posteritet“ darzubieten.
So ist die reiche schriftstellerische Täti gkeit zu verstehen, die
er in hohem Alter und vielfach von Leibesschwachheit geplagt auf sich nahm: es
war die Arbeit des um die Rechtgläubigkeit seines Sprengels besorgten Kirchen—
aufsehers. Er schrieb zwei deutsche Schriften über „die göttliche Ausiversehung
oder Prädestination““ und über das Abendmahl, die 1588 zu einer prächtigen
Gesamtausgabe vereinigt wurden. Ein Kompendium der orthodoren Dogmatik
gab er in seinem Catechismi Examen (1583). Von seiner 1572 zuerst in
Wittenberg erschienenen Ethik kam 1585 in Schleswig eine neue Ausgabe heraus,
und als letzte Gabe schenkte der greise Kirchenmann seinem Sprengel eine deutsche
Postille über die Evangelien (15891). Daß er alle diese Schriften als autoritaätiv
wertete, ersieht man daraus, daß sie — was natürlich nicht ohne sein Zutun ge⸗
schah — durch fürstlichen Befehl unter die libri parochiales aufgenommen
wurden. In dem Edikt Herzog Johann Adolfs vom 21. September 901 betreffs
Anschaffung der Postille auf Gemeindekosten wird ausdrücklich gesagt, daß sie
„um der gemeinen Prediger, auch der Nachkommen willen“ geschehen soll und
daß jene ihre Predigten „darnach richten“ sollen. Durch die KO war den Geist⸗
lichen Luthers Postille „jur Nachachtung“ gegeben worden: Eitzzen stellt
—
herzigkeit, aber mit doch sehr charakteristischem Selbstgefühl.
Sohat also Paulvon Eitzen den Bekenntnisstand der
Gottorfschen Landeskirche in einer ganz eigenartigen,
persönlich gefärbten Art festgestellt: seine eigene Theologie,
die er für die wahrhaft lutherische, d. h. die rechte alte katholische hielt, hat er als
Norm für die zu verkündende Lehre und als teures der „lieben Posterität“ zu
übergebendes „Depositum“ gewertet und den „Vrentianismus“, das heißit die
Lehre der Konkordienformel hat er ausdrücklich als abscheuliche Ketzerei aus der
Gottorfschen Kirche ausgeschlossen.
So ernst diese ganz persönliche Festlegung der Lehre von ihm selber gemeint
gewesen ist, so hat sie doch glücklicherweise, eben weil sie allzu persönlich war, nicht
allzulange über seinen Tod hinaus wirklich autoritative Bedeutung behalten. Was
aber weit über seinen Tod hinaus das Gottorfsche Landesbekenntnis bestimmt und
normiert hat, das ist sein Predigereid von 157 4. Auch in diesem ist
es freilich in besonderer Weise formuliert, doch immerhin so, daß die „Posterität“
als unverbrüchlich nur das starke Bekenntnis zur leiblichen Gegenwart Christi
im Abendmahl, also etwas echt lutherisches daraus entnehmen konnte, dagegen
nicht gehindert war, die Christologie der Konkordienformel, das heißt die echt
lutherische Christologie sich anzueignen. Als symbolische Bücher sind
durch diesen Predigereid für die Gottorfsche Landeskirche kanonisiert worden: Conl.
Aug. mit Apologia, Luthers Katechismen und Schmalt. Artikel. Daneben
erscheint in andern Gottorfschen Kundgebungen das Corpus Misnicum, so z. B.
in dem in diesem Stück sicher von Eitzen inspirierten Eiderstedter Landrecht
von 1591.
Feddersen, Kirchengeschichte, B. I1