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B. 2, K. 2, 9 23. Schwärmertum
studiert hat. Dieser Aufenthalt in Holland, dem Lande des Freikirchentums, mag
dem ernsten, frommen Mann schon früh offene Augen für die Schäden, an denen
die lutherische Kirche krankte, gegeben haben. Im übrigen haben anscheinend die
führenden Schwarmgeister wie Schwenkseld und Weigel keinen Einfluß auf seine
Geistesrichtung gehabt, vielmehr hat er sein geistliches Leben vor allem an den
Schriften Taulers, Luthers und Johann Arnds genährt. Nachdem er sich in
Leiden gute Kenntnisse in der Medizin und der Chemie angeeignet hatte, ließ er
sich in Flensburg als Arzt nieder, erwarb dort das Bürgerrecht und trat durch
seine Ehe mit einer dortigen Bürgertochter in den Kreis des Flensburger Pa—
triziats ein.
Hartwig Lohmann'), wohl ein Flensburger Kind, war zunächst Schrei—
ber bei dem Flensburger Amtmann Otto von Qualen und bekleidete seit 1016
die angesehene Stellung des Stadtsekretärs. Auch von ihm wissen wir im übrigen
wenig. Fest steht, dasi er, wohl durch die gleiche lebendige Frömmigkeit angezogen,
u Teting in ein Verhältnis der innigsten Freundschaft trat.
Die interessanteste und wohl auch geistig bedeutendste Persönlichkeit in diesem
Kreise war jedoch eine Frau, Anna Ovena Hoyers. Gleicherweise durch
ihre eigenartige enthusiastische Frömmigkeit wie durch ihre hohe geistige Begabung
hervorragend, darf diese Tochter unseres Landes unter uns nicht vergessen werden.
Anna Ovens wurde 1584 als Tochter des reichen und geistig, besonders
ils Astronom hervorragenden Hofbesitzers Hans Ovens in Koldenbüttel geboren.
Mit 15 Jahren ward sie die Gattin des am Gottorfschen Hofe hoch angesehenen
Stallers Her mann Hoyer. Sie scheint ihren Vater mehr als ihren Gatten
zeschätzt zu haben und nannte sich
später mit Betonung Anna Ovena
Hoyers. Vielleicht hat ein ge—
wisser religiöser Gegensatz zwischen
den beiden Gatten bestanden, in—
dem sie schon im Elternhause jo—
ritisches Geistchristentum einge—
atmet haben mag, während er als
hoher Beamter die offizielle kirch—
liche Frömmigkeit pflegte. Der
Gatte starb frühe (1622) und ließ
sie mit fünf Kindern zurück, wo—
durch ihre starke und eigenartige
Persönlichkeit vollends zur unge—
hemmten Entfaltung gekommen
sein mag. 16024 zog sie von Ho—
yerswort, dem mit adeligen
Privilegien ausgestatteten Hofe des
Gatten, nach Husum, wo sie in
enger Freundschaft mit der dort
zesidierenden Herzogin-Witwe Au—
qusta lebte. Durch ihre bis zur
Verschwendung getriebene Wohl
tätigkeit schließlich verarmt, ver—
kaufte sie Hoyerswort an die Her—
zogin und zog, von dieser an Gu—
ANNAOVENAHOXYERS