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B. 2, K. 2, 9 23. Schwarmertum
hafftigen Bericht“ hatten drucken und verbreiten lassen, erfolgte ein
neues Fürstliches Mandat, durch welches den Einwohnern Husums geboten wurde
bei 50 Rthl. Strafe, bzw. hartem Gefängnis alle Exemplare dieser Schrift beim
Stadtsekretär abzuliefern.
So sorgte auch in diesem Falle die Fürstliche Obrigkeit für die Reinhaltung
der Lehre in ihren Landen und für „Abwendung des Seelengiftes von ihren lieben
getreuen Unterthanen“ (Ausdrücke des Mandats), ohne Grausamkeit und Blut—
vergießen, aber mit allem gebührenden Ernste.
Die „Frau Stallerin“ freilich kümmerte sich um das Mandat so wenig, dasi
sie ruhig fortfuhr, „sich mit ihren Kindern und mehrentheils Haußgesinde des üb—
lichen Gottesdienstes liederlicher Weise zu entäustern, ja auch fremde Seelen, die
ohne Zweiffel eben dieses Gebäcks seyn, in ihre Behausung aufzunehmen und mit
denselben eine eigene enthusiastische Winkelkirche zu haben“. Der Rat wagte sich
nicht an sie heran, und der vom Ministerium gesandte Kirchendiener Michael enip—
fing von ihr „fast eine schimpffliche und trotzige Antwort, daß sie in der Kirchen
wenig Trost zu holen, wir (das Ministerium) auch ihr, alß die auf ihre Freiheit
pochet, nichts zu gebieten hetten (wiewoll es auch kein Gebott, sondern nur eine
freundtliche Erinnerung gewesen) und was der Rede mehr gefallen.“ Das Mini—
sterium, wohl wissend, daß die „Fran Hoyerin“ in Herzogin Augusta eine mächtige
Beschützerin besaß, wandte sich in einem sehr vorsichtig und diplomatisch abgefaßten
Schreiben (Krafft S. 498 f.) an diese und bat, entweder auf Frau Hoyerin ent—
sprechend einzuwirken oder bei ihrem Sohne, dem regierenden Herzog um eine
Erklärung des publizierten Mandats, ob solches auf die Religionsfreiheiten könne
gezogen und gedeutet werden, zu intercedieren. Dabei erboten die Geistlichen sich,
wofern es der Frau Hoperschen gelieben würde, mit ihr zu kolloquieren, jedoch
am gebührlichen Ort und im Beisein verständiger Leute („denn es sonst mit solchen
Leuten allein zu colloquiren wahrheit und gelimpffs halber etwas bedenklich und
gefährlich seyn will“). Sie haben auf dies vom 14. Dezember 16024 datierte
Schreiben nie eine Antwort erhalten, und die Frau Hoyerin blieb unangefochten.
Man sieht, wie gering der Mut des Husumer Ministeriums vor Fürstenthronen
war, und wie es hochgestellten und von fürstlicher Gnade besonnten Leuten möglich
war, auch damals im religiösen Polizeistaat sich einer gewissen Religionsfreiheit
zu erfreuen “).
Teting und Lohmann verschwanden nunmehr aus den Herzogtümern. Loh—
mann ging nach Kopenhagen, eröffnete eine medizinische Praris und konnte
zehn Jahre hindurch ungestört seines Glaubens leben. Als er jedoch 1675 nach
Odense verzog, müssen wohl aus „Holstein“ ungünstige Gerüchte über seine Glau—
bensüberzeugung dorthin gelangt sein. Jedenfalls wurde er durch königliche Ver—
fügung vor ein eigens zur Untersuchung seiner Sache berufenes Glaubensgericht
gestellt. Es gelang den Richtern, den Inkulpaten von der Unrichtigkeit seiner
früher „spargierten“ Lehren zu überzeugen: er widerrief alle Irrtümer und unter—
schrieb die 25 Fremdenartikel. Somit war er als orthodores Mitglied der dänischen
Landeskirche anerkannt und konnte seine letzten Lebensjahre — er scheint noch vor
1642 verstorben zu sein — in deren Schoß und Hut geruhig verleben.
15) Es fällt uns auf, daß Herzogin Augusta dieser „Ketzerin“ ihren Schutz lieh, wo sie sich
doch gegen die Kalvinistischen Treibereien ihres Gemahls so kräftig aufgelehnt hatte. Die Er—
klärung liegt wohl darin, daß die aufrichtig fromme fürstliche Frau im Kalvinismus etwas
Unfrommes erblickte, dagegen in A. O. Hoyer eine aufrichtige und kräftige christliche Frömmig ˖
keit erlebte, welche sie spmpathisch berührte. Für dogmatifche Spitzfindigkeiten hatte sie wie
viele Frauen kein Verständnis.