B. 2, K. 2, 9 23. Schwärmertum
als ob die Adamitische Substanz in den Gläubigen ganz vernichtet werde und von
der Auferstehung ausgeschlossen sei. Damit leugnen sie die Auferstehung des Flei—
sches, eine schon längst verdammte und auf dem Wege über die Albigenser zu den
neuen Schwärmern gelangte Walentinische Schwärmerei. Der alte Mensch in
seiner Subsstanz bleibt bis zu seiner künftigen Verklärung, nur seine Qu a—
hitäten ändern sich — das bezeichnet man als das Auferstehen eines neuen
Menschen.
Am schwierigsten war — zum vierten — für die Orthodoxen die Lehre der
Schwärmer vom allgemeinen Priestertum und dem Lehrrecht aller Gläubigen zu
widerlegen, zumal diese sich hier auf Luthers „Grund und Ursach aus der Schrift,
daß ein Christliche Gemein Macht habe alle Lehre zu urteilen“ beriefen. Dame
bezieht sich demgegenüber auf die Reden der Pastoralbriefe von der durch Hand—
auflegung geschehenden besonderen Weihe der Bischöfe und führt aus, es sei ein
großer Unterschied zwischen privater Ermahnung und öffentlicher Lehre. Die
Schwärmer fallen unter das Wort Joh. 10: Wer nicht zur Türen eingehet, der
ist ein Dieb und Mörder.
Wenn — zum fünften — die Schwärmer auch für ihre Lehre von „der in—
wendigen Lehrung und Salbung des heiligen Geistes und dem inwendigen Gehör
Göttlichen Wortes“ sich auf einige Stellen bei Luther berufen, so hält Dame —
gewiß mit größerem historischen Recht — dem entgegen, wie stark Luther je und je
das äußerliche, geoffenbarte Wort als das allein masigebende betont hat. Zwar
gibt es auch ein inwendiges Gehör des Wortes, aber das ist nur der durch den
heiligen Geist gewirkte Glaubensgehorsam gegen das äußere Wort der Offenbarung.
Sechstens. Gegenüber der Lehre der Schwärmer, daß man „das Reich Gottes
in sich suchen, auf dessen Offenbarung in sich warten müsse und inchoative schon
finden könne“ sagt Dame: Freilich erleben wir das Reich Gottes in uns; wenn
solche Reden aber dahin verstanden werden sollen, daß das Reich Gottes von
Natur in uns sei und wir es nur in uns zu erwecken brauchen, wie Weigel
das in der Vorrede zu seinem „Güldenen Griff“ lehrt, so ist das eine greuliche,
mehr als heidnische Schwärmerei. So hebt Dame mit Recht den Charakter des
Christentums als der auf besonderer Offenbarung beruhenden gegenüber einer
allgemeinen, auf dem Naturlicht beruhenden Religion hervor. Zwar Weigel ist
von solcher Idee nicht frei zu sprechen, ob sie jedoch Schwenkfeld und Teting-Loh—
mann mit Recht beigelegt werden dürfe, ist zweifelhaft.
Wenn — zum siebenten — die Schwärmer „von Abziehung aller Sinnen und
Gedanken von allen Kreaturen und von der Vergessung, Verleugnung, Hassung
und Lassung seiner selbsten und also von der Gelassenheit und Abgescheiden—
heit“ reden, so erwidert Dame, daß die „Gelassenheit“ zwar soweit akzeptiert
werde, als sie der heiligen Schrift gemäß sei, nämlich J1. als Verleugnung der
Vernunft und eigenen Affekte, 2. als Abwendung vom Vertrauen auf irgend
etwas Natürliches und Hinwendung zum vollen Vertrauen zu Gott. „Aber von
der Enthusiastischen und Stoischen Gelassenheit und Sabbath weiß die Schrift
nichts, daß der Mensch solte ein Klotz seyn / vnd ohne Affecten seyn.“ Sehr
treffend weist Dame darauf hin, das zwar Tauler und Kempis als wohlversorgte
Mönche sich solcher Gelassenheit hätten hingeben können, daß aber dem arbeitenden
Volke („den Hausvätern““) solches nicht möglich sei.
Achtens. Gegen die schwärmerische Forderung einer vollkommenen christlichen
Sittlichkeit (nicht Zins nehmen, kein Recht vor Gericht suchen, nicht wieder ver—
zelten, nicht schwören, kein Kleiderschmuck usw.), welche durch Zitate aus Luther