Full text: 1517 - 1721 (2)

B. 2, K. 2, 9 23. Schwärmertum 
als ob die Adamitische Substanz in den Gläubigen ganz vernichtet werde und von 
der Auferstehung ausgeschlossen sei. Damit leugnen sie die Auferstehung des Flei— 
sches, eine schon längst verdammte und auf dem Wege über die Albigenser zu den 
neuen Schwärmern gelangte Walentinische Schwärmerei. Der alte Mensch in 
seiner Subsstanz bleibt bis zu seiner künftigen Verklärung, nur seine Qu a— 
hitäten ändern sich — das bezeichnet man als das Auferstehen eines neuen 
Menschen. 
Am schwierigsten war — zum vierten — für die Orthodoxen die Lehre der 
Schwärmer vom allgemeinen Priestertum und dem Lehrrecht aller Gläubigen zu 
widerlegen, zumal diese sich hier auf Luthers „Grund und Ursach aus der Schrift, 
daß ein Christliche Gemein Macht habe alle Lehre zu urteilen“ beriefen. Dame 
bezieht sich demgegenüber auf die Reden der Pastoralbriefe von der durch Hand— 
auflegung geschehenden besonderen Weihe der Bischöfe und führt aus, es sei ein 
großer Unterschied zwischen privater Ermahnung und öffentlicher Lehre. Die 
Schwärmer fallen unter das Wort Joh. 10: Wer nicht zur Türen eingehet, der 
ist ein Dieb und Mörder. 
Wenn — zum fünften — die Schwärmer auch für ihre Lehre von „der in— 
wendigen Lehrung und Salbung des heiligen Geistes und dem inwendigen Gehör 
Göttlichen Wortes“ sich auf einige Stellen bei Luther berufen, so hält Dame — 
gewiß mit größerem historischen Recht — dem entgegen, wie stark Luther je und je 
das äußerliche, geoffenbarte Wort als das allein masigebende betont hat. Zwar 
gibt es auch ein inwendiges Gehör des Wortes, aber das ist nur der durch den 
heiligen Geist gewirkte Glaubensgehorsam gegen das äußere Wort der Offenbarung. 
Sechstens. Gegenüber der Lehre der Schwärmer, daß man „das Reich Gottes 
in sich suchen, auf dessen Offenbarung in sich warten müsse und inchoative schon 
finden könne“ sagt Dame: Freilich erleben wir das Reich Gottes in uns; wenn 
solche Reden aber dahin verstanden werden sollen, daß das Reich Gottes von 
Natur in uns sei und wir es nur in uns zu erwecken brauchen, wie Weigel 
das in der Vorrede zu seinem „Güldenen Griff“ lehrt, so ist das eine greuliche, 
mehr als heidnische Schwärmerei. So hebt Dame mit Recht den Charakter des 
Christentums als der auf besonderer Offenbarung beruhenden gegenüber einer 
allgemeinen, auf dem Naturlicht beruhenden Religion hervor. Zwar Weigel ist 
von solcher Idee nicht frei zu sprechen, ob sie jedoch Schwenkfeld und Teting-Loh— 
mann mit Recht beigelegt werden dürfe, ist zweifelhaft. 
Wenn — zum siebenten — die Schwärmer „von Abziehung aller Sinnen und 
Gedanken von allen Kreaturen und von der Vergessung, Verleugnung, Hassung 
und Lassung seiner selbsten und also von der Gelassenheit und Abgescheiden— 
heit“ reden, so erwidert Dame, daß die „Gelassenheit“ zwar soweit akzeptiert 
werde, als sie der heiligen Schrift gemäß sei, nämlich J1. als Verleugnung der 
Vernunft und eigenen Affekte, 2. als Abwendung vom Vertrauen auf irgend 
etwas Natürliches und Hinwendung zum vollen Vertrauen zu Gott. „Aber von 
der Enthusiastischen und Stoischen Gelassenheit und Sabbath weiß die Schrift 
nichts, daß der Mensch solte ein Klotz seyn / vnd ohne Affecten seyn.“ Sehr 
treffend weist Dame darauf hin, das zwar Tauler und Kempis als wohlversorgte 
Mönche sich solcher Gelassenheit hätten hingeben können, daß aber dem arbeitenden 
Volke („den Hausvätern““) solches nicht möglich sei. 
Achtens. Gegen die schwärmerische Forderung einer vollkommenen christlichen 
Sittlichkeit (nicht Zins nehmen, kein Recht vor Gericht suchen, nicht wieder ver— 
zelten, nicht schwören, kein Kleiderschmuck usw.), welche durch Zitate aus Luther
	        
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