Full text: 1517 - 1721 (2)

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B. 2, K. 2, 9 23. Schwärmertum 
tritt überhaupt eine etwas freundlichere Stellung zu „Ketzern“ hervor. Er ver— 
wirft als unchristlich ohne weiteres Punkt J und 2. Von den übrigen Artikeln, 
meint er, hätte man nicht mit ihnen zu fechten, wenn nicht etwas Fremdes darunter 
gesucht werde. Im übrigen habe er, wie man (in Husum) wohl gemeinet habe, 
mit diesen neuen Geistern nicht verkehrt, nur einmal im Winter sei Knutzen bei 
ihm gewesen, „sich aber von dergleichen Sachen nicht vernehmen lassen, sondern 
mit mir geredet von Johann Arndten Schriften und von der Gottseligkeit, und 
wie solche bei so wenigen zu finden, daß ich damals nichts böses von ihm können 
argwöhnen““. Beide, Dame und Egardus, hatten mit den beiden frommen Laien 
das gemeinsam, daß sie von J. Arnd die Erkenntnis der Verderbtheit der Kirche 
und der Notwendigkeit einer Besserung gelernt hatten. Wenn selbst solche Kirchen— 
männer zu einer sicheren Ablehnung der Hauptthesen Tetings und Lohmanns 
kamen, so ist das ein Beweis, daß diese im Sinne der damaligen Kirche tatsächlich 
Ketzer und Irrlehrer waren. Die heutige, durch Pietismus und historische Kritik 
hindurchgegangene Kirche würde solche Leute wohl tragbar finden, die damalige 
konnte es nicht. Das Problem, wie sich die von Jesus geforderte Sittlichkeit 
mit der bürgerlichen Sittlichkeit vertrage, ist auch heute noch nicht gelöst. 
6. Der Fall Sinknecht. 
Was wir bisher von den schwarmgeistigen Tendenzen gehört haben, zeigt, daß 
sie zunächst nur in frommen Laienkreisen Fußs gefaßt hatten: die Theologie, die im 
Tetingschen Lehrprozeß von der Orthodoxie bekämpft wurde, war eine ausge— 
sprochene LRaientheohogie. Daß jedoch in unserm Lande auch die Geistlich— 
keit nicht völlig unberührt von ihnen blieb, zeigt der mit der Tetingschen Kontro— 
verse ungefähr gleichzeitige Lehrprozeß gegen den Pastor Peter Sinknecht 
Sinenetius) in Hadersleben. 
Dieser „Fall“ ist von dem — P. D. H. Prahll in unsen Bu Mo9, S. 150 ff. 
mit besonderer Sorgfalt und Gründlichkeit behandelt worden. Auf seine besonders 
auch durch die allgemeine Einleitung S. 133 ff. wertvolle Darstellung weisen 
wir die Leser daher ausdrücklich hin. Auch eine vollständige Nachweisung der 
Quellen und der früheren Literatur findet sich dort S. 131 f. 
Prahl tritt hier wesentlich als Apologet des nach seiner Meinung zu Unrecht 
als „Irrlehrer“ verurteilten Sinknecht auf. Nach meiner Meinung ist er dabei 
einer Gefahr erlegen, welcher Apologien vergangener Größen nur allzu leicht 
ausgesetzt sind: daß sie nämlich Werturteile, die für die Gegenwart durchaus be— 
rechtigt sind, in die Vergangenheit zurücktragen. Heute, in unserer durch Pietis— 
mus und Rationalismus hindurchgegangenen lutherischen Kirche würde Sinknecht 
wegen seiner Lehre schwerlich diszipliniert worden sein — sie verdaut ganz andere 
Irrlehren. Daß er jedoch von der damaligen, durch strenge und ernste Orthodorie 
beherrschten lutherischen Kirche nicht als „reiner“ Lehrer anerkannt werden konnte, 
scheint mir durchaus verständlich. Auch war es nicht allein seine Lehre, was ihn 
zu Fall brachte, sondern auch gewisse Disziplinwidrigkeiten; wie er denn überhaupt 
als „ein recht beschwerlicher Herr“ (BuM 9, S. 522), als ein wenig verträg— 
licher Kollege und als etwas unklarer Theologe erscheint. 
Peter Sinknecht, als Sohn eines Pastors an St. Jakobi um 1580 
zu Lübeck geboren, studierte in Rostock, we er die Freundschaft des nachher nach 
Schleswig versetzten Chr. Sledanus (vergl. oben S. 1602) gewann. 1013 kam 
er als Hauptpastor zu St. Marien nach Hadersleben. Nach Prahl S.
	        
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