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B. 2, K. 2, 6 24. Synkretismus
Es versteht sich von selbst, daß die synkretistischen Gedanken und Bestrebungen
bei den Vertretern der luth. Orthodoxie auf stärksten Widerstand stiesien und
aufs heftigste von ihnen (vor allen andern Abr. Calov, Johann Hülsemann und
Johann Conrad Dannhauer) bekämpft wurden. Trotzdem die neue Richtung an
mehreren Universitäten (außer Helmstedt auch Königsberg, Frankfurt a. O., Rin—
teln) Fuß faßte, behielt doch vor der Hand die Orthodoxie den Sieg. Aus diesem
Grunde hat der Synkretismus, obgleich nicht wenige Fürsten und „Gelehrte“ im
Grunde des Herzens ihm anhingen, im allgemeinen Bewußtsein des evangelischen
Deutschlandz, auch Dänemarks und Schwedens als verabscheuungs-
würdige Häresie gegolten.
Was nun speziell unser Land betrifft, so hätte man denken sollen, daß hier
im Heimatlande des Erzsynkretisten diese Richtung sich sonderlich verbreitet hätte,
vor allem im Gottorfschen, wo ja Herzog Johann Adolf den Synkretismus prak—
tisch vorgemacht hatte und dessen Sohn, Herzog Friedrich III. nebst seinem Kanzler
Kielmannsegg keineswegs dem guten echten Luthertum ergeben waren. Allein, wie
schon bemerkt (S. 103) hatten gerade die fürstlichen Machinationen bei der Geist—
lichkeit das gut lutherische Bewußtsein nur gestärkt. So finden wir denn auch,
soweit ich zu sehen vermag, von wirklichem, entschiedenem Synkretismus
im ganzen Lande kaum eine Spur. Wohl aber haben wir einige interessante Bei—
piele davon, wie hohe geistliche Behördendes Gottorfschen
Hebietes von außen her des Synkretismusbeschuldigt
wurden und sich bei näherer Prüfung als nicht völlig fleckenfrei befanden. Das
gilt zunächst von dem Gottorfschen Oberhirten, GS Reinboth (vergl. S. 1608 f.).
. GS Reinboth unter der Anklage des Synkretismus.
Nachdem Mag. Joh. Reinboth von der Haderslebenschen Präpositur zum
höchsten Gottorfschen Kirchenamt berufen worden war, forderte Herzog Friedrich
ihn auf, sich um den theologischen Doktortitel zu bewerben. Reinboth ging nicht
gern daran, da er „die Meinung akademische Exerzitien zu treiben schon längst
hatte fallen lassen“ und zudem wegen der Kriegeswirren „seine Bücher von sich
gesendet hatte“““), also ohne wissenschaftlichen Apparat war. Allein der Herzog
blieb bei seiner Forderung, vornehmlich jedenfalls, weil auf der Königlichen Ka—
thedra ein mit allen akademischen Würden geschmückter Mann saß, und Reinboth
der babpylonischen Hure, sondern auch im wahren Sinne (die) Kirche ist und denen, die fromm
in ihr leben, die Hoffnung der Seligkeit keineswegs benimmt, weil sie die vornehmsten Lehren
des Glaubens, auf welchen als auf dem Fundament unsere Seligkeit sich aufbaut, unversehrt
und unbeweglich festhält . . . Dazu beklagtest du, daß in jenem unbesonnenen Tumult der Re—
formation manches abgeschafft sei, was zu großsem Vorteil der Frömmigkeit hätte beibehalten
werden können, und gestandest zu, daß der kath. Kirche auch viele falsche und absurde Dinge
angedichtet würden, von denen sie entweder gar nichts wisse oder die sie selber verwerfe. So
hast du gleich einem wegweisenden Hermes mit aufgehobenem Finger den Weg, auf dem
ich zur kath. Kirche fortschreiten sollte, mir gewiesen (Subindicasti)j.“ Val. Moller J, 520 f.
So hat die Verehrung des kirchlichen Altertums, die Calixt in die Seele des jungen Grafen
zepflanzt hatte, diesem den Weg nach Rom gewiesen, und man darf sagen, daß er mit seinem
Uebertritt nur eine Konsequenz zog, die Calirt selber zu ziehen nicht vermochte. — Zu den
katholisserenden Wirkungen des Helmstedtischen Synkretismus vgl. Ottto Ritschl, Dogmen⸗
gesch. d. Prot. IV, S. 448 ff. — Chr. von Rantzau ist bis an sein Ende ein treuer Bekenner
und Verfechter des katholischen Glaubens geblieben. Auch seine Gemahlin, eine Enkelin Herzog
Johanns d. J., trat zur römischen Kirche über. Nebenbei ist er ein großer Herenbrenner
gewesen.
2) Wiederholte Schutzrede S. 1.