Christian Kortholt
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der Religion bekämpft, so in der Abhandlung „De rationis cum revelatione
in Theologia concursu“, Kil. 1692.
Als modernen Theologen seiner Zeit hat Kortholt sich bewiesen, indem er für
die kirchen- und glaubenzerstörende Wirkung der zeitgenössischen deistischen
Philosophie einen klaren Blick hatte und seine Zeitgenossen vor ihr zu
warnen unternahm. In der Schrift De tribus Impostoribus magnis Liber,
Kil. 1680 erkennt er gegen Herbert von Cherbury, Th. Hobbes und B. Spinoza
auf heuchlerisch verdeckten Atheismus.
Auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Dogmatik und Ethik hat er nichts be—
sonderes geleistet, desto nachhaltiger hat er als Reformer des kirchlich-christlichen
Lebens durch seine praktisch-erbaulichen Schriften gewirkt. Der
Pastor sidelis, Hamb. 16096, ist eine kurzgefastte Pastoraltheologie. Seine her—
vorragendste Erbauungsschrift ist die Worbereitung zur Ewigkeit“,
Kiel 16071. In volkstümlich-schlichter Sprache ist sein „Creutz- und Geduld—
Spiegel“, Plön 1093, abgefaßt. Der Bekämpfung des Atheismus durch den
Nachweis, dasß Gott auch heute noch Wunder tut, dienen der „Wahrhaftige Vericht
von einem, in der Insul Femern, A. 1053 besessenen Knaben“ und die Thau-
matographia, Kiel 16077. Hier wird die damals ungemeines Aufsehen erregende
Geschichte von einem Hamburger Bürger Jürgen Frese behandelt, der in der
Absicht, einen Verzweifelnden von Gottes Macht zu überzeugen, einen glühenden
Ring aus dem Ofen holte, ohne sich zu verbrennen. Als Dichter von Kir—
henliedern, doch ohne größeren Erfolg, hat er sich versucht in „Biblische
Festandachten“, Kiel 160061. Als Reformfreund stellte er sich an Speners
Seite mit seiner pseudonymen Schrift „Theophili Sinceri Wohlgemeinter
Vorschlag, wie etwa ... dem in Ev. Kirchen bisiher eingerissenen Ergerlichen
Leben und Wandel .. abzuhelffen ...“ Frankfurt 1670. Wenn er hier
den Grundfehler des Verfalls in der religiösen Unwissenheit des Volkes sieht,
so hat er dieser nicht nur durch eine „Trenhertzige Auffmunterung zu sorgfältiger
Unterweisung“, Kiel 1009, sondern auch durch einen eigenen Katechismus, „Gül
dene Glaubenskette“, Kiel 16083, abzuhelfen gesucht.
Still und bescheiden, wie er nach seiner holsteinischen Art war, allem ehrgeizigen
Strebertum und gehässiger Klopffechterei abgeneigt, hat er — vielleicht in allzu—
großer Vorsicht — weder in dem Streit um Calirt noch in den pietistischen
Streitigkeiten sich festlegen lassen. Er darf — so urteilt Halfmann — auch nicht,
wie vielfach geschehen'“), zu den Pietisten oder den „Pietisten vor dem Pietismus“
gerechnet werden. Seine Grundstimmung ist durchaus kirchlich, nicht subjektivistisch;
von Eschatologie und mystischer Jesusliebe findet sich nichts bei ihm. Wohl hat
er mit maßgebenden Pietisten des Anfangs, vor allem mit Spener, freundschaftlich
verkehrt, aber, durch den Enthusiasmus J. W. Petersens und seiner Ehefrau,
sowie durch den Hamburger Pietistenstreit abgeschreckt, zuletzt den Pietismus als
„neue Religion“ erkannt und davor gewarnt. Auch ein Synkretist darf er nicht
genannt werden. Er wollte vielmehr sein und war auch ein guter Lutherisch-Ortho—
doxer, aber von der Art jener „lebendigen Orthodoxie““, die seit Johann Arnd
schon längst vor dem Auftreten des Pietismus die vielfachen Schäden der luthe—
rischen Kirche erkannt hatte und auf eine Reform derselben bedacht war. Als
einer der wenigen bedeutenden Theologen holsteinischer Abkunft darf er unter uns
nicht vergessen werden.
1u) So zuerst durch Breckling und G. Arnold.
Feddersen, Kirchengeschichte, B. II.