— 324
B. 2, K. 2, 9 24. Synkretismus
Bauern geäußert hätten: „J, hebbt wy doch vor düssem nümmer gehöret, dat
Holsteen nicht reiner lehre sy.“
Nach Kiel zurückgekehrt, machte Elfringer den Professoren von seinen Erleb—
nissen Mitteilung, und diese nahmen die Sache sehr ernst: die Fakultät zitierte
den Studiosus vor sich und nahm ein förmliches Protokoll seiner Aussagen auf.
Dies sandte sie am 26. Februar 16070 an den Herzog und bat ihn um Schutz
gegen die neuerliche Verläumdung, zumal das ganze Land Dänemark und das
hochfürstliche Holstein verkleinerlich beschuldigt werde.
Der Herzog beschwerte sich nunmehr bei Herzog Julius Franz von
Sachsen-Lauenburg als damaligem Herrn des Landes Hadeln. Als daraufhin
Mithobius vernommen wurde, leugnete er alles ab. Ja, er drehte nun den Spieß
um und forderte Elfringer als böswilligen Diffamanten vor das Gericht zu
Otterndorf. Elfringer war nicht gewillt, sich dem fremden Gericht zu stellen, berief
sich auf seine privilegierte Stellung als Student und rief seinen Gönner, den
Kanzler von Kielmannsegg, um seinen Schutz an. Dieser wurde ihm auch ge—
währt, und die Fakultät stellte sich durchaus auf seine Seite, wie denn auch nicht
daran zu zweifeln ist, daß sein Bericht über die Aeußerungen des Mithobius
durchaus der Wahrheit entsprach. Die Fakultät stellte eine ganze Reihe bestimmter
Fragen unter Nennung der Zeugen auf, und durch Vermittelung der beiderseitigen
Höfe wurde der Statthalter des Landes Hadeln befehligt, eine gerichtliche Ver—
nehmung der als Zeugen benannten zu Otterndorf vorzunehmen. Die fand auch
statt, doch kam nicht viel sicheres dabei heraus.
Wenn so die Sache schliestlich auch in Quisquilien auslief, so ersieht man
doch aus ihr einerseits, in welchem schlechten Ruf die Kieler Fakultät in gut
lutherischen Kreisen stand, andererseits, wie sehr diese selber ünd ihr fürstlicher
Gönner darauf bedacht waren, in dieser „nicht weniger odieusen als stachelichten
Materie“*) sich zu rechtfertigen und vor der theologischen Welt ihren Ruf zu
wahren.
Dies sollte nun sonderlich, wie wir hörten, durch eine besondere Schrift
geschehen. Im August 1670 hatte Musaeus sie fertig, und sie erschien noch in
demselben Jahre unter dem Titel Petri Musaei de fugiendo
syncretismo liber unus, Kiloni, Typis Joachimi Reumanni,
Acad. Typogr. (Kleinquart, 380 S.). Da sie sozusagen die offizielle Stel—
lung der Kieler Fakultät in dieser wichtigen Frage der Zeit darstellt, bedarf sie
einer etwas eingehenderen Würdigung.
Musaeus führt hier in ganz orthodoxer Weise aus: jeder Synkretismus in
dem Sinne, daß man Papisten und Reformierte als im Glaubensgrunde mit uns
rinig und darum ohne weiteres als christliche Brüder und Genossen der Seligkeit
ansieht, sei durchaus verwerflich; wenn es unter diesen Haufen (coetus) wahr—
haft Gläubige gebe, so sei das nur per accidens möglich. Aber die Aus—
führung ist derart abstrakt und verklausuliert, daß man deutlich merkt, wie seine
eigentliche Herzensmeinung eine ganz andere ist. Diese tritt erst am Schlusse
deutlicher hervor. Hier führt er nämlich aus, es sei noch kein Synkretismus, wenn
man den Andersgläubigen christliche Liebe erzeige, für sie bete, sie nicht durch die
Bank verdamme oder zur Erzielung eines modus vivendi in freundlichem
und friedlichen Sinne mit ihnen verhandle. Damit kommt er (S. 358 ff.) auf
das Casseler Religionsgespräch, dessen „Mitschuldiger“ er ja
22) Worte des Herzogs.