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beyden Fürstentümer wieder kommen wolte“. Kurz hinter dem Tor fand sich
ein gesattelt Pferd, auf das Conrad Hase sich schwang, um in die Freiheit zu reiten.
Während so der „Sohn“ mit Glaubensfreudigkeit für die Sache der „Mutter“
gelitten hatte, war auch diese selbst von schwerster Verfolgung heimgesucht woeden.
Böswillige Nachbarn hatten wahrgenommen, das in ihrem Brüderhause zu
Husum troltz des herzoglichen Mandats lustig weitergedruckt wurde und ganze
Ballen voll Büchern von Holland anlangten, die zur Propagierung ihrer Offen⸗
varungen im Lande verbreitet werden sollten. Als diese Nachricht an die Gottorfer
Regierung gelangte, beschloß sie eine energische Gegenaktion. Sie scheint aber,
um den Weg des Rechts nicht zu verlassen, vorher ein offizielles Gutachten
über die Gefährlichkeit und Strafwürdigkeit der Bourignonschen Schriften er—
fordert zu haben. Da die für solche Prüfung zunächst in Betracht kommende
Stelle zur Zeit vakant war — der alte GSeReinboth hatte im August 1073
das Zeitliche gesegnet — wandte man sich an die Theologische Fakultät der Herzog—
lichen Universität zum Kiel. Das in deren Namen von Peter Musaeus
erstattete Gutachten liegt (leider undatiert) noch vor ““). Als „gröbste und ge—
fährlichste Irthümer, so in A. Bs. Schrifften sich befinden“, werden nachgewiesen
J. die Vernichtung des rechten Hauptgrundes des Christentums, der heiligen
Schrift durch die angemaßte prophetische Autorität der Jungfrau, 2. ihre Lehre
von der göttlichen Trinität, 3. ihre Verwerfung der rechtgläubigen Lehre von
Christi Verdienst und Genugtuung, die sie ausierdem falsch darstellt, 4. ihre Ve—
hauptung, daß keine Kirche Christi mehr auf Erden sei, 5. allerlei teils römische,
leils chiliastische Irrtümer.
Am 160. Febrnar 1674erschien aufgrund einer herzoglichen Verfügung
vom 9. Februar der Advokat Kirchmann aus Schleswig als „Fiscal“ in
Husum, beschlagnahmte die ganze Druckerei samt 100 Ries Papier und ca. 50 in
Matten eingenähte Bücherballen und ließ alles auf Lastwagen nach Gottorf schaf—
fen. Es scheint doch, daß er in mancher Weise die ihm gegebene Instruktion
überschritt. Jedenfalls verfuhr er in recht roher Weise und gestaltete die Exe—
kution zu einem für den Husumer Pöbel sehr amüsanten Spektakelstück. Die
Jungfrau erlitt dadurch nach ihrer Berechnug einen Verlust von über 3000
Rthl. “).
Poiret erzählt, daß die „Priester““ auch mit diesem Raub noch nicht zufrieden
gewesen seien, sondern vom Hofe gefordert hätten, die Jungfrau zu ewigem Still—⸗
schweigen zu zwingen. Darauf sei verfügt worden, daß sie nach der Festung
Tönning geschafft und dort in Haft gesetzt werden solle. Mit ihrer Ueberführung
dahin sei der herzogliche Generalmajor v on der Wysck beauftragt worden. Aber
durch ein bei dem Transport der Schriften vom Wagen gewehtes Blatt sei er
von ihrer Unschuld überzeugt, ja zu ihrem Anhänger bekehrt worden und habe
den Herzog gebeten, ihn von jenem Auftrage zu befreien, was auch geschehen sei.
Diese romantische Geschichte wird sonst nirgends auch nur andeutungsweise
bestätigt, so daß man geneigt ist, sie für eine Fiktion der stark illusionsfähigen
Jungfrau zu halten “).
Auf alle Fälle aber sah sich nach solcher Behandlung die Jungfrau genötigt,
30) Zu lesen in Burchardis „Wiederholten Erzählung“ S. 420 -37.
25) Ihre Beschwerde an den Herzog über diese Aktion ist Tem. de la Verité II, S.
130— 47 zu lesen.
2) Ich habe mich bisher vergeblich bemüht, die Person des angeblichen Generalmajors zu
identifizieren.