Auswirkungen der Reformation
sich die landesherrliche Macht um ein bedeutendes. Die Beseitigung der „Prälaten“
als ständische Macht war der erste Schritt zum absoluten Für—
st entum, dem nach anderthalb Jahrhunderten mit der Unterordnung auch des
Adels unter die fürstliche Gewalt der zweite folgen sollte. Das absolute Fürsten—
tum aber ist der entscheidende Schritt vom mittelalterlichen Ständestaat zur mo—
dernen Staatsomnipotenz. So führte ein gerader Weg von der Reformation zum
heutigen Staat.
TMebeneinander stehend übten im Mittelalter Staat und Kirche über die
„Christenheit“ das Regiment aus. Aber das Regiment der Kirche war tiefer und
umfassender als das des Staates. Der Staat beschränkte sich darauf, die gröbsten
Verstöße gegen die christliche Sittlichkeit zu ahnden: er betätigte sich in der Regel
rein als Polizeistaat. Die Pflege der geistigen und der feineren sittlichen
Kultur des Volkes lag einzig in den Händen der Kirche: sie leitete das religiöse
Leben, sie bestimmte das sittliche Lebensideal des Volkes; das ganze öffentliche
Bildungswesen, die ganze Charitas lag in ihrer Hand. Dies Privilegium hat die
Reformation beseitigt. Auch der nachreformatorische Staat hat zwar noch lange
Zeit hindurch all diese Kulturfunktionen als „Kirchensachen“ behandelt. Dann aber
hat er eine nach der andern der Kirche ab- und auf sich und seine Organe über—
nommen, sie säkularisiert; er hat so seine Macht und seinen Einflußsi auch
auf die geistige Haltung des Volkes immer gesteigert, damit aber der Kirche immer
mehr Einflusimöglichkeiten entzogen. Am Ende dieser Entwicklung steht auf der
einen Seite der heutige „totale““ Knlturstaat, auf der andern die auf ihre „rein
religiöse Aufgabe“ beschränkte Kirche. An ihrem Anfang aber steht die Refor—
mation, welche die Kirche ihrer Selbständigkeit beraubte und sie der Macht des
Staates unterwarf.
So ist mit der Reformation eine folgenschwere Entwicklung des Verhältnisses
zwischen Staat und Kirche eingeleitet worden, und es wird zu den Aufgaben der
weiteren Darstellung gehören, diese Entwickelung auf einem kleinen Gebiet nach—
zuweisen und anschaulich zu machen. Wer die Sachen von einem höheren Gesichts—
punkt anschaut, wer im Kleineren das Große und Ganze anzuschauen gelernt hat,
für den wird auch das scheinbar Kleine und Unbedeutende, das eine Spezialkirchen-
geschichte bringt und bringen muß, lebendiges Interesse und höhere Bedeutung
gewinnen.
Wir haben nun noch eine Frage zu erörtern, die durch Schuberts Ausführungen
naͤhegelegt wird: Ist „die Schleswig-Holsteinische Landes—
kirche“, wolche nach seiner Darstellung in so starkem Maße schon im Mittel
alter vorbereitet worden ist, wenigstens dur,ch die Reformationge-
sschaffen worden? Darauf ist zu antworten:
Wenn nach Schuberts Aeußerungen eine Landeskirche in erster Linie durch
das einheitliche, das ganze Territorium umfassende Kirchenregiment
des Landesherrn konstituiert wird — darin hat er zweifellos recht —, so
kann ja gerade nach dieser Regel schon zwei Jahre nach Erlaß der KO in den
Herzogtümern von einer Landes kirche nicht mehr die Rede sein. Denn schon
1544 setzten wieder die Landesteilungen ein, und wenn auch in einigen Stücken
die staatliche Einheit der Herzogtümer trotzdem aufrecht erhalten worden ist, so
ist das doch gerade in bezug auf das Kirchenregiment nicht geschehen. Denn
uneingeschränkt erhielten die Teilfürsten, selbst die sog. „abgeteilten Herren“, die
Kirchenhoheit. Man kann also nach 1544 wohl von einer Gottorfschen, einer