B. 2, K. 2, 8 25
„gesunde Erklärung der heiligen Schrift und den rechten Verstand der allgemeinen
Kirchenbekenntnisse““ ebensowenig beweise wie die eines Arius, eines Acontius
(Stratagemata Satanae 1665) und des Socinianers Jonas Schlichting (Con-
fessio Fidei Christianae 1661). Zum Schluß wird ausgeführt, daß nicht
nur die lutherischen, sondern auch die reformierten Kirchen das Lehrstück von der
(gnadenweisen) Rechtfertigung der Menschen vor Gott und ihrer Versöhnung durch
Christum stets als „das Hauptstück der gantzen Christlichen seligmachenden Re—
ligion / daran aller Trost / und der Seelen ewiges Heil /und alle ander Theile
der Christlichen Lehre hangen“ gerühmt haben, ja daß auch im Papsttum dieser
Sündertrost „etlicher Maßen“ stets beibehalten sei“ ).
Sieht man das Buch als ganzes an, so muß, wenn man von den persönlichen
Reibereien mit der Jungfrau absieht, gesagt werden, daß sich in ihm ein starkes
wissenschaftliches Talent offenbart. Es ist schade, dasi B. an wissenschaftlichen
Büchern nur die beiden besprochenen geliefert hat.
Das zweite Buch Burchardis war die letzte Berührung unserer Kirche mit
Antoinette Bourignon. Nachdem sie auch in ihrem Hamburger Versteck von
den „Priestern“ ausgekundschaftet war und wiederum Verfolgung befürchten zu
müssen meinte, verließ sie die Stadt am 26. Juni 16077 und fand nach allerlei
Irrfahrten ein Asyl bei dem Freiherrn von Knyphausen auf Lützburag in Ost—
friesland. Zwei einigermasien friedliche Jahre waren ihr hier noch gegönnt, dann
erhoben sich wieder „Verfolgungen““. Sie floh nach Westfriesland und starb an
Fieber und Ruhr zu Franeker (30. Oktober 1080), 64 Jahre alt. Wenn
man das ruheloseLeben dieser Pilgerin anschaut, mutet es einen freilich tragisch
an. Man muß jedoch urteilen, daß sie diese Tragik zum größten Teile durch ihre
krankhafte Selbstüberschätzung, ihren Eigenwillen und ihre Unklugheit selbst ver—
schuldet hat. Das Land der Verheißung, das ihre Seele auf unserem Nordstrande
uchte, hat sie nicht erreicht: sie starb wie Moses, ohne es auch nur mit Augen
gesehen zu haben.
Ihre geistige Hinterlassenschaft liegt lediglich in ihren von P. Poiret so schön
herausgegebenen Werken vor: eine Gemeinde hat sie nicht gebaut. Auch in
unserem Lande hat sie keine Spur hinterlassen. Ob die lebhaften Bemühungen
unserer Landesgeistlichkeit, die ihr anvertrauten Seelen gegen das von der Pro—
fetin ausgehende „Gift“ zu schützen, wirklich nötig waren, kann die Frage sein.
20) Für letzteres beruft Vf. sich auf Calirt. Schon daraus wie aus der ganzen Ausführung
ergibt sich, daß bei Burchardus die starre Kauwfstellung des Luthertums gegen Calvinismus
und Katholizismus nicht mehr vorhanden ist. Die Frontstellung ist eine andere geworden: der
Feind (für alle drei Konsessionen) ist neben dem antikirchlichen Schwärmertum die neu auf—
gekommene „gottlose“ Philosophie der Zeit (Cartesins, Spinoza, Hobbes).