Full text: 1517 - 1721 (2)

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seinen Schriften und seinem ganzen Morgehen nur einen „unleidlichen“ Unfug 
erblicken. Erstlich hatte er in einer Zeit, da strenge Subordination gegen die 
Vorgesetzten königliches Gebot und unbedingte Forderung war, sich einer ganz 
inglaublichen Insubordination schuldig gemacht und somit die kirchliche Ordnung 
aufs äußerste verletzt. Zweitens, auch wenn man durchaus anerkennt, daß der 
Predigerstand große Mängel aufwies und eine „Reformation“ dringend nötig 
var, so ist doch, wie man sich durch eigene Einsicht in Brecklings Schriften über— 
zeugen mag, sein modus procedendi für die davon betroffenen einfach unleid— 
lich. Alle christliche Liebe gegen seine Nächsten, jedes Verständnis für die mensch— 
lichen Schwächen, denen auch die Prediger unterliegen, läsit er vermissen “). Dazu 
stellt er Forderungen auf, die in einer Großkirche schlechterdings nicht allgemein 
zu erfüllen sind: völlige Bekehrung, Weltentsagung, prophetisches Vorgehen der 
Prediger gegen alle Großen und Gewaltigen in Staat und Kirche. Mit solcher 
Forderung offenbart er sich tatsächlich als einen Enthusiasten und Fanatiker, wie 
sie vielleicht in einer Freigemeinde, nicht aber in einer Großiirche erträglich sind. 
Bei diesem „Frühpietisten“ wird es recht klar, das der Pietismus mit dem anti— 
kirchlichen Separatismus des 160. Jahrhunderts zusammenhängt. Zum dritten 
haben die Richter Brecklings offenbar auf sein politisches Mergehen, seine 
unehrerbietige Behandlung der höchsten Majestät, sein „Sticheln“ auf dessen 
Kriege und hohen Alliierten (den grosien Kurfürsten und den König von Polen), 
seine maßlosen Urteile über die Königlichen Beamten besonderes Gewicht gelegt. 
Selbst wenn er mit seinen Urteilen Recht hatte (woran man bei deren Ueber 
triebenheit zweifeln kann), war sein Morgehen jedenfalls höchst unangemessen. 
Man lese einmal die seinem Speculum vorgesetzte Anrede an den König: das 
„Quäkerische““ Du, mit dem er die Majestät anredet, die greulichen Vorwürfe, 
die er indirekt dem König macht, und die fürchterlichen Drohungen, mit denen er 
schliest, und man wird sagen müssen, dast kein seiner Würde bewußter Herrscher 
sich derartiges einfach gefallen lassen konnte, geschweige denn ein König, der gerade 
jetzt zur absoluten Souveränität aufzusteigen im Begriffe war. Superintendent, 
Pröpste und Pastoren waren eidlich verpflichtet, des Königs Bestes zu suchen und 
allen Schaden von ihm abzuwehren. Der Obrigkeit untertan sein zu sollen, galt 
als eins der vornehmsten Gebote für den Christen. Mußtten die zu Richtern 
Brecklings bestellten Männer es nicht geradezu als ihre Pflicht erkennen, gegen 
solchen Schmäher des Königlichen Herrn vorzugehen*)? Wir haben außerdem 
zu bedenken, daß zu dem Konsistorium auch der Königliche Amtmann gehörte. Man 
darf annehmen, daß das Urteil nicht ohne dessen Zutun erfolgt ist. Viertens. 
Die in Punkt fünf erwähnten „Verbrechen“ Brecklings können wir bei Seite 
lassen. Er hat sie ziemlich glaubwürdig entschuldigt. Desto glaubwürdiger ist 
Punkt sechs. Wenn man weiß, was für ein Hartkopf und Hitzkopf Breckling war, 
und die wahnwitzigen Schmähungen ermisit, die er nachher im Druck über seine 
Richter ausgegossen hat, wird man ohne weiteres glauben, daß er auch „bei 
22) Mit Recht nennt Moltesen sein Beginnen eine „Scharfrichterkur“ und spricht von seiner 
„harten Hesekielstinime“ (S. 41). 
i) Breckling ist sich der Tragweite seiner Worte offenbar gar nicht voll bewusit gewesen. 
Er meinte, „Gottes Wort“ zu reden, wenn er gegen die Großen der Erde die greulichsten Vor— 
würfe erhob, und zwar deshalb, weil er in der Bibel vielfach solche Vorwürfe las. Auf solche 
Weise aber kann man jede Beleidigung rechtfertigen. Die Scheltworte der Propheten ohne 
weiteres auf Zeitgenossen anzuwenden und dann zu meinen, das man Gottes Wort rede, ist ein 
echt schwärmerischer Misbbrauch der Heiligen Schrift.
	        
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