Full text: 1517 - 1721 (2)

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B. 2, K. 2, 8 20 
Mayer?') geführten orthodoxen Mehrheit des Ministeriums, und äußerlich, 
unterftützt durch die Fäuste der Bürgerschaft, siegte zunächst die Orthodorxie: Horb 
wurde ausgewiesen (1093) und starb 1005 im „Exil“ auf holsteinischem Boden 
zu Schlems bei Schiffbekr). Aber tot war darum der Hamburger Pietismus 
nicht: er behielt sein Existenzrecht und wirkte in der Stille weiter. 
Altona, die religiöse Freistatt, war nicht nur Heimat für die mit dem 
Pietismus sympathisierenden Sekten (so der Mennoniten und, eine Zeitlang, 
j6072— 74 der Labadisten“), sondern auch der Zufluchtsort für viele anderswo 
unmöglich gewordenen Einzelschwärmer. Hier lebte von etwa 1090 bis zu seinem 
Tode (etwa 1718) der rabiate Kirchenfeind Johann Michaelis, der, 
trotzdem er kein eigentlicher Pietist war, doch mit Häuptern des Pietismus wie 
Professoer May in Gießen freundschaftlich korrespondiert hat. Hier hielt sich 
1711 bis 1719 der hochbedeutende, halb pietistische, halb rationalistische Jo hann 
Conrad Dippehl auf, bei dem Oberpräsidenten Chr. Detl. von Reventlov 
als „Goldmacher“ beschäftigt und von König Friedrich zum Kanzleirat ernannt “). 
Hier genas die berüchtigte Eva von Butlar eines Kindes und soll sich 
daraufhin mit der Kirche versöhnt haben. Dazu beherbergte Altona eine ganze 
Anzahl kleinerer Propheten und religiöser Sonderlinge. Obgleich diesen Gästen 
unseres Landes jede Propaganda unter den Eingeborenen strenge verboten war, 
konnte es doch nicht anders sein, als daß ihre Schriften auch austerhalb der Stadt— 
grenzen verbreitet wurden und dem (kirchenfeindlichen) Pietismus Vorschub lei— 
steten. Eine positive agitatorische Wirksamkeit in Holstein ist z. B. ven Michaelis 
ausdrücklich bezeugt (s. unten). 
Wie Lübeck einst für die Förderung des strengen Luthertums im Osten Hol— 
steins wirksam gewesen ist, so hat auch die neue Bewegung des Pietismus von 
hier aus in unser Land hinübergegriffen. Nicht freilich der kirchenfromme Spener— 
sche Pietismus. Hier gab es nicht, wie in Hamburg, pietistische Geistliche, hier 
war noch weit ins 18. Jahrhundert hinein das Ministerium schroff antipietistisch 
eingestellt. Der Superintendent August Pfeiffer (10880-71098) war 
einer der bedeutendsten und wirksamsten literarischen Bekämpfer Speners und 
J. W. Petersens. Wohl aber gab es in Lübeck einen volkstümlichen 
Pietismus, eine nicht unbedeutende spiritualistische Laienbewegung, die dem Mi— 
nisterium viel zu schaffen machte. In Lübeck hatte Paul Felgenhauer gewirkt, auch 
unseres Teting Schriften sind dort stark verbreitet gewesen, ja, auch ein kirchen— 
feindliches Flugblatt Anna O. Hoyers „Gespräch eines Kindes mit seiner Mutter“ 
war von einem angesehenen Bürger, Henrich Ottendorff mit einem Eingangs— 
*u) Dieser gewaltige Antipietist, der auch gegen Spener selber literarisch aufgetreten ist, hat 
auch unserm Lande nahegestanden. Er gehörte nämlich von 1088 an bis 1701 der Kieler Uni— 
»ersität als Prof. honorarius an. Zwar konnte er jährlich nur auf einige Tage oder Wochen 
nach Kiel reisen, um in aller Eile ein kleines Kolleg zu halten oder zu disputieren. Aber auch 
so konnte er hier in antipietistischem Sinne wirken, zumal er von König Christian V. sehr ge— 
schätzt war. 1701 ging er als Prokanzler und GS für Schwedisch- Pommern nach Greifs 
vald (f .1712). 
ꝛ0) Begraben wurde er in der Steinbeker Kirche, wo ihm seine Hamburger Verehrer ein 
großes Epitarh stifteten. 
at) Vagl. dazu Lie bohdt, der Aufenthalt des Jean de Labadie in Altona (BuMel, Heft5, 
S. 117 ff.). 
2) Da es mit der Goldmacherei nicht recht vorwärts wollte und er mit der geistlichen Obrig 
keit, dem Propsten Fleischer, einen Streit anfing, wurde er 1719 zu ewiger Gefangenschaft auf 
Bornholm verurteilt. Dort hat er gesessen, bis er 1726 auf Fürbitte der Königin (Anna 
Sophie Reventlov, der Schwester des Oberpräsidenten) frei kam(t 1734).
	        
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