Schwartz gegen Linekogel
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als Freund und Geistesgenosse des Verstorbenen dem auf der Wacht liegenden
königlichen GS von vornherein verdächtig erscheinen musite: sein Machfolger
Hinrich Muhlius“). Das war ein Mann, der den Kampf besser ver—
tragen konnte: selbstbewusit, des Wortes mächtig, noch jung an Jahren, wie er
war, wurde er dem alternden Kollegen ein scharfer Gegenkämpfer.
Zunächst freilich verhielt sich die mit ihrem bisherigen Führer angegriffene
pietistische Partei ruhig. Der eigentliche Kampf begann mit einem Zwischen-
spiel, bei welchem die Kampffront pietistisch-orthodor keineswegs deutlich er
kennbar ist.
Johann Christoph Linekogel, seit 16081 Pastor in Giekaun—
(f 1717), ein Fremdling aus Hildesheim, den wir bereits als guten Bekannten
Petersens kennen gelernt haben (vergl. oben S. 353), fand sich bemüßigt, einen
Traktat des coccejanischen Professors in Utrecht Franziscus Burmann
über den Sabbat in deutscher Uebersetzung und mit Anmerkungen versehen heraus—
zugeben *).
In dieser Schrift vertreten Burmann-Linekogel die Ansicht, daß das a. nt.
Sabbatsgebot, d. h. das Gebot der Arbeitsruhe kein pracceptum morale,
d. h. ein ewiges und für alle Menschen gültiges, sendern ein pr. ceremoniale
und daher im M. T. abgeschafftes Gebot sei.
Es scheint, als ob Schwartz als verantwortlicher Kirchenleiter die Veröffent
lichung dieser Ansicht vor allem aus praktischen Gründen für höchst gefährlich ge
halten hat, indem er fürchtete, das dadurch der schon so wie so bestehenden entsetz—
lichen Entheiligung des Sonntags, die er bei seinen Misitationen „um Giekau
herum“, also in den adeligen Kirchgemeinden Ostholsteins wahrgenommen hatte,
Fürschub geleistet werde. In diesem Sinne verfaßite er eine kräftige Widerlegung!).
Das 384 Kleinoktavseiten starke Buch entwickelt als schriftmäßig die Lehre, dasi
zwar der Sabbat als solcher abgeschafft und durch den Sonntag ersetzt sei,
daß aber der sie bente Tag der Woche als solcher, ob Sabbat oder Sonntag,
von Gott selbst zum Ruhetag eingesetzt sei und die Sonntagsruhe daher als gött—
liches Gesetz zu gelten habe. Bei seinen oft recht künstlichen Ausführungen über
sieht Schwartz, daß die Auffassung des dritten Gebotes als bloßen Ceremonial
gebots von Luther selbst deutlich gelehrt ist (gl. bes. Cat. major, Müller S. 401,
auch Conf. Aug. art. 28, Müller S. 607); die gesetzliche Auffassung vom
Sabbat ist im Gefolge der englischen Kalvinisten erst von den späteren lutherischen
Dogmatikern, wie z. B. Dannhauer “), vertreten worden.
Die Schrift des Coccejaners war also nicht unlutherisch. Aber der GS war
mächtiger als der arme Pastor von Giekau. Er erwirkte von König Friedrich IV.
als derzeitigem Leiter der gemeinsamen Regierung ein Mandat, welches besagt,
dasi, da „der Pastor zu Gykow nicht allein eine scandaleuse Schrifft . . . im Druck
herausgegeben, sondern auch die darinnen enthaltene gottlose Lehre der Gemeinde
12) Val. oben S. 270jf.
13) D. F. B. Curieuser Bericht vom Sabbat, moderiret und nebst einer
Vorrede wie auch mit Laconismis marginalihus neu herausgegeben von J. C. vVine;
kogel, Pastorn zu Gykow. Plön. 1700.
1) D. Josuge Schwartzens Wahrer Bericht vom Sabbat ... Altona, 1701.
15) Aus dessen „Katechismusmilch“' gibt desbalb Schwartz als Anhang einen 22 Seiten
langen Auszug.