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in Predigten und Examinibus fürtrage“'“), derselbe zunächst ab ofstcio suspen-
diert werden solle.
Damit aber hatte Schwartz das Spiel noch nicht gewonnen. Als Pastor einer
adeligen Kirche gehörte Linekogel nicht unter seine Alleinherrschaft, vielmehr mußte
die endgültige Entscheidung dem Land-Oberkonsistorium übertragen werden, und
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davon kam und im Amte verblieb. Diese Niederlage verdankte Schwartz vor
allem der lebhaften Verteidigung des Angeklagten durch seinen fürstlichen Kollegen
Muhlius. Und dessen Gegnerschaft hatte er sich durch eigene Schuld zugezogen.
Er hatte nämlich seinem „Bericht“ eine lange Einleitunng vorgesetzt, in
welcher er einen kurzen Abriß über alle im 16. und 17. Jahrhundert in SH
oorgekommenen Ketzereien gibt und in diesem Zusammenhange auch drei gottorfische
Kollegen mit einem Male, Reinboth, Sandhagen und — Muhlius gewisser Irr—
lehren beschuldigt, den ersten des Synkretismus, die beiden letzteren des Chilias—
mus. Besonders ausführlich (auf 22 Seiten) nimmt er den derzeitigen Kollegen
her: er tadelt nicht nur seine chiliastischen Tendenzen, sondern auch und insbesondere
seinen Mißbrauch des Schriftwortes (unangebrachte Bevorzugung der profetischen
Schriften, willkürliche Behandlung ihrer Weissagungen und ungerechtfertigte
Beziehung derselben auf die gegenwärtigen und künftigen Schicksale der christ—
lichen Kirche). Den Grund zu seinen Anklagen entnimmt Schwartz 1. einer 1099
gedruckten Dissertation Muhlius' über den „Schriftbeweis““, 2. seiner „Parae-
nesis de studio prophetico nosstro nunc tempore maxime amplec-
tendo excolendoque“, 3. allerlei mündlichen Aeußerungen des Kollegen, die
ihm zugetragen worden waren.
Dieser heftige Vorstoß erregte die Geister aufs höchste. Vor allen natürlich
Muhlius selbst, der in seiner Selbstgefälligkeit Widerspruch schlecht vertragen
konnte und den Vorwurf irriger Lehre um so übler empfand, als in demselben
tatsächlich ein Körnchen Wahrheit steckte. In der Sitzung des Land-Oberkon—
sistoriums, in welcher die Linekogelsche Sache verhandelt wurde (12. Dez. 1701),
kam es zu einer häßlichen Szene. Aus dem ihm vorgelegten Exemplar des
Schwartzschen Traktats riß Muhlius die Blätter, die von seiner angeblichen
Ketzerei handelten, heraus und warf sie seinem Kollegen ins Gesicht, indem er
laut rief: „Das hat Er als kein ehrlicher Mann geschrieben.“ Schwartz behielt
seine Ruhe, wie er denn überhaupt durch seine ruhige Sachlichkeit den nervösen
Muhlius besonders gereizt zu haben scheint, und sprach: „Den unehrlichen Mann
schiebe ich ihm zurück; bitte aber, daß das Hochpreißliche Gericht, weil dessen hoher
Respekt durch diese Insolentz höchstens lädiret worden, es der Hohen Landes—
Obrigqkeit referieren wolle “).“
Dieser persönliche Zusammenstoß der beiden Oberhirten leitete einen leiden-—
schaftlichen literarischen Kampf ein. Zu Muhlius' Gunsten er—⸗
hob sich eii Anonymus) und der Süderstaveler Kompaster Mag. Jo—
120) Das hatte bei der Nisitation der Küster dem GSeverraten.
17) So nach Schwartz, Chiliastische Vorspiele S. 16. Muhlius eigene Darstellung in
seiner „Erörterung““, Vorwort Bg. 6.
19) „Schreiben eines Freundes an einen seiner guten Freunde wegen der in
den Sleswig-Holsteinischen Kirchen entstandenen Troublen“ 1701. Schwartz hat Muhlins
Günstling und Verwandten, den späteren Professor in Kiel Albert zum Felde für den
Derfasser gehalten (Chiliastische Vorspiele S. 15), nach Moller (II, 823) jedoch zu Unrecht.