Full text: 1517 - 1721 (2)

Siegfried Bentzen, 1702 
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rande austreiben oder freien, uti loquntur nostri Ilolsatio'. Der Mangel der „modernen 
Theologen“ an logischer und dogmatischer Schulung, ihre Gleichgiltigkeit gegenüber einer reinen 
und guten Lehrart wird getadelt und sehr richtig ausgeführt, daß der Indifferetismus zum 
„Hobbesianismus“ und praktischem Atheismus führe, wie solcher, leider, bei Grosten und Klei 
nen, besonders aber bei den Juristen und Politicis schon gang und gäbe sei. Es ist nicht ohne 
und berührt uns wie eine Stimme aus der Gegenwart, wenn Wf. gegen die Darstellung der 
Pietisten, dast alle Mängel der Kirche nur von den Orthedoxen stammen, ausführt: „Sind 
denn nun die armen Priester alles allein Ursach an dem schrecklichen Verfall? Haben denn 
die Höfe und die Politici nichts dazu getan? Mein, davon ist altum silentium ben allen 
Zeloten und Epferern!“ Der Caesaropapismus ist die Frucht des so hoch gepriesenen Hobbe— 
sianismus! „Also auch in den Schrifften der Pietisten und ihrer Gönner dominiret eine 
gewisse affeetirte loucceur, mit einem Eyfer zwar vermischet, der aber blos auf die Schwartz— 
Röcke gehet, die andern aber, von welchen doch das gankze Wesen dependiret, und die grosien 
Raube-Berge gantz unberühret läsit, sie möchten sonst rauchen. Und eben dieses ist mir ein 
unfehlbares Indicium, dadurch ich vor Gott und in meinem Gewissen überzeuget bin, daß der 
Pietistische Geist aus Gott nicht ist, denn so eyferten die Prorheten nicht, und Johannes pre 
digte nicht soe! Die gantze Welt weist und empfindet es mit Schmertzen, was für eine schreck 
liche Politique in der Großen ihren Cabinets und Coneciliis regiere; was für ein Sodom und 
Gomorrha an den meisten Höfen sich befinde; wie die benyden Götzen: Interesse und die soge, 
naunte Gloire sich dergestalt hoch und jeste gesetzt, daß Salus Populi, Semitus miscrorum, 
Sanguis Christianorum und die Seelen, die Christus mit seinem Blut so theuer erkauffet, 
ben Tausenden diesen Molochs und Idolis aufgeopffert werden: aber davon sagt kein Pietin, 
kein Zelote ein Wort“'?!). Vielmehr attachieren sie sich besonders gerne gerade an die Grosien 
und diese dulden sie gerne, weil sie die Kraft und die Autorität der Kirche shhwachen. (Seo 
S 210ff. u. a.) 
Wir sehen: der Schenefelder Pastor war kein blosser Spaßmacher, sondern ein 
guter Kenner seiner Zeit und ein trefflicher Apologet einer guten Orthodorie und 
eines einfältigen kirchlichen Christeniums. Die Gegenpartei jedoch nahm seine 
saftige, sprühende Polemik sehr übel auf. Es wird vermutlich auf Muhlius Ve 
treibung geschehen sein, daß zur Vergeltung des Scheiterhaufens, der in der könig 
lichen Stadt Altona geraucht hatte, am 5. Mai 1702 auf dem Markte der fürst 
lichen Stadt Kiel ein gleicher für Ventzens „Schandschrift“ errichtet wurde. Diese 
Behandlung seines Buches mag Bentzen um se empfindlicher getroffen haben, als 
er seiner Zeit (1092) in einer besonderen Schrift gegen Thomasius die These ver— 
treten hatte, daß die Verbrennung eines Buches durch Henkers Hand als Schande 
und berechtigte Strafe für den Verfasser, „soweit ehrlicher Leute guter Name 
darinnen von ihm verletzet worden“, anzusehen sei“ (Moller l, 39). Auf diese 
Wunde seiner Seele ward jedoch ein linderndes Pflaster dadurch gelegt, daß er 
eine (natürlich nur im königlichen Anteil geltende) behördliche Erklärung empfing, 
die besagte, das sein quter Name durch die Verbrennung seines Buches nicht ver 
nichtet sei“). 
3. Streit der GGSS. Zweiter Gang, 1705. 
Ausier dem Feuertode fand Bentzens Buch noch eine literarische Entgegnung, 
wenn auch nur durch einen Kieler Studiosus)). Damit war der Streit vorläufig 
zu Ende, um dann nach Verlauf von drei Jahren desto höher wieder aufzuflammen. 
Schwartz hatte zunächst öffentlich geschwiegen und sich damit begnügt, auf ge 
21) Breckling hatte gar kraäftig se geredet, aber der hoffähige Pietismus hatte ihn von sich 
abgeschieden. 
*2) Wortlaut der Erklärung BunIII, 761. 
ꝛu) Aufgefangener Brief, darin der von Siefr. Ventzen erregte Fortgang der in der Hol—- 
steinischen Kirche entstandenen Troublen unpartheiisch berichtet wird, 1702. Sein Verfasser 
war Johannes Jacobus Schwelau.
	        
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