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heimen und amtlichen Wegen gegen Muhlius zu wirken““), zugleich aber die
Stille benutzt, um Kraft und Stoff zu einem Buche zu sammeln, das den Gegner
völlig zu vernichten besiimmt war. Sein 1705 in Flensburg erschienenes Werk
„Wider D. Henrici Muhlii ... Chiliastische Vorspiele/
Principia und Chiliasmum selbst“ ist schon durch seine ungeheure Breite
(470 Quartseiten) ein Monstrum innerhalb der polemischen Literatur. Aber diese
Breite entspringt nicht einem Marasmus senilis, wie ihn die Gegner dem ehr⸗
vürdigen alten Herrn anzudichten pflegten, sondern seiner ungemeinen Gründlich—
keit. Mit einer austerordentlichen Sorgfalt und wahrlich nicht uninteressant, viel—
mehr mit einer bewundernswürdigen Schärfe des Geistes, geht er der willkür—
lichen Schriftauslegung und dem „subtilen“ Chiliasmus seines Kollegen zu Leibe
ind vertritt demgegenüber mit einer Konsequenz ohne Gleichen die lutherisch-ortho—
doxe (altkatholische) Lehre, daß es vor dem letzten Kommen des Herrn zum Gericht
kein besonderes Gottesreich auf Erden, keine Bekehrung der Juden, keinen äusier—
lichen Umsturz des Papsttums und keine wesentliche Besserung der Kirche geben
werde. Zum Schluß bekämpft er noch, deutlich auf eine entsprechende Aeußerung
Muhlius' hinzielend, das „pietistisch-chiliastische Porisma“ (Folgesatz), „daß es
nicht nötig sey, das Heilige Abendmahl offte zu gebrauchen““. Dem Ganzen geht
eine 60 Seiten lange Vorrede voran. Sie ist eine Apologie seines seit
50 Jahren gegen die Irrlehrer von Pufendorf“) bis zu Muhlius geführten
Kampfes. Man erkennt aus ihr, wie sehr ihm der Lehrkampf Gewissenssache
war, und lernt den aufrechten, redlichen Mann schätzen.
Auf diesen gewaltigen Angriff konnte Muh lius doch nicht umhin, selber
zu antworten. Es ist für seine hochmütig-lässige Art charakteristisch, daß er meint,
das gründliche und fleisige Werk seines Gegners auf 64 Seiten kleinsten Sedez—
formates abtun zu können. Er tut es nämlich lediglich in einer Vorrede zu dreien
von ihm gehaltenen Ordinationsreden ).
In höchst temperamentvoller Weise geht er hier gegen seinen Angreifer los.
Alle Beschuldigungen auf Irrlehre, welche Schw. wider ihn erhoben hatte, führt
er lediglich auf „Verdrehungen, grausame Folgereien, Phantasien und Träume“
sowie auf das boshaftige und haßerfüllte Herz seines Kollegen zurück. So wenig
man es Muhlius verdenken kann, daß er sich tapfer wehrt, so ist er doch in
höhnischen und verächtlichen Reden und persönlichen Beschimpfungen dem Gegner
weit überlegen““). Zum Schlusse appelliert er an die Obrigkeit mit der Bitte,
D. Schwartzen das „Ketzermacher-Handwerk zu legen“ und berichtet, daß die Fürst—
liche Regierung bereits die Konfiskation seines Buches angeordnet habe. Auch
21) Wenigstens behauptet Muhlins in seinem „Vorbericht“ (D. 3), es sei während dieser
drei Jahre die Hauptverrichtung Schwartzens gewesen, ganze Fakultäten und Ministeria wider
ihn aufzuhetzen, ja „bei seiner hohen Herrschaft seine (Muhlius) Lehre hefftig iu araviren und
zu verunglimpfen.“
22) Die Erinnerung an seinen Kampf gegen Pufendorf helt er „mit Fleisi““ wieder hervor,
weil der Author a uch hie vu Lande seines Juris Naturage wegen admi—
iret wird.
g) Erörterundg verschiedener jetziger Zeit erregten Materien in dreyen Ordinations—
reden ... nebst einem Worber ichtt von ID)Y. Josuae Schwartzens ... Tractat .. Schleswig
705.
*7) Nur einige Kraftausdrücke seien hier wiedergegeben: er spricht GBogen a 3) von „einem
empfindlichen Eckel“, mit dem man Schwartz ansehen müsse, von dessen „Tausend Lügen“ (c 5),
nennt ihn einen „Gaukler“ (c 3) und vergleicht ihn (55f.) mit einem „alten zahnlosen Rüden
und beißerigen Dorff-Reckel, der ihn durch den Zaun anbleckt, da er sonst nicht beisien kann“.