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B. 2, K.
Mit der in den „Kurtzen Anmerckungen“ in Aussicht gestellten „Widerlegung
des Traktats selber“ ist vermutlich die Schrift gemeint, mit welcher Mag. Jo—
hbann Melchior Krafft, Kompastor in Süderstapel, sich zum andern
Male, aber nunmehr unter seinem richtigen Namen auf den Kampfplatz begab.
Es ist der 140 Quartseiten umfassende „Wahre historische Bericht
von den SH Kirchen-Streitigkeiten“, Schleswig 1708. Das Hauptziel des
Werkes ist die Verteidigung und Rechtfertigung von Muhlius' Theologie. Krafft
perteidigt sie voll und ganz, in tüchtiger uund gründlicher Arbeit. Beachtenswert
ist besonders seine gründliche Erörterung der exegetischen Grundsätze, wie Muhlius
sie in seiner „MApodixis““ dargelegt hatte““) (S. 42259). Im übrigen gibt
Vf. dem pietistischen Haß gegen den unbequemen und unerbittlichen Gegner nun—
mehr vollen Ausdruck. Schwartz ist der Mann mit der schamlosen Hurenstirn
Jer. 3, 3), den der Lügen- und Mordgeist zu seinem schändlichen und unchristlichen
Verketzern angetrieben hat, der Holsteinische Papst, der infallible Papst usw.
Krafft bekennt sich zu Spener, der Halleschen Fakultät und Otto Strandiger. Er
dreht auch den Spiest um und bezichtigt Schwartz der Ketzerei, weil er die Theo—
»neustie der H. Schrift kränke, „indem er sage, die Heil. Schrift wäre in ihrem
Wesen auch Menschenwort“, die Vorbilder des Alten Testaments schmälere u. dgl.
S. 150.
Von geschichtlichem Wert ist die Behauptung des Vf., daß der Holsteinische
Pietismus conventicula nicht kenne (S. 115).
Ferner erschien von pietistischer Seite noch eine anonyme Streitschrift wider
Schwartz *).
Ein von Schwartzens Freunden, namentlich Hinrich Braker begonnener Ge—
genangriff mißglückte. Ihre „Gegenanmerkungen“ waren schon bis zum
27. Bogen in Flensburg gedruckt, als, incerlum ob quam causam““), der
Druck unterbrochen und das Werk vom Verfasser unterdrückt wurde. Aber durch
einen unglücklichen Zufall waren die bereits gedruckten Bogen vor ihrer Ein—
stampfung in die Hände eines neu sich erhebenden Feindes geraten,
dem sie einen willkommenen Stoff zu einem in friedlicher Maske einhergehenden
scharfen Angriff auf Schwartz gaben. Schleswig 1705 erschien: „Nohtt⸗-
dringende Anrede an —l). Josuam Schwartz ... wolmeinende gestellet von
einem Friedliebenden Vertheidiger der Wahrheit““. Der anonyme Verfasser war
der Kopenhagener Hofprediger Franz Julius Lütkens“).
1) Trotz dieser Apologie bleibt es dabei, das Muhlius' (und der anderen Pietisien) von
Schwartz als „Coccejanisch-rabbinisches“ angeserochenes „Principium'“: dast man den heiligen
Tert in seiner größten Weite (latitudine) auslegen und ihn nicht ausden
Auch st äblichen Verstand beschränken dürfe, ein durchaus ungesundes ist, weil
s einem laienhaften, willkürlien Schriftgebrauch und einer Verwirrung in der Lehre Tür
ind Tor öffnet.
) Strigilis Schwartziania oder D. Josuae Schwarkens unverschämtes Be
sinnen wider 1. Henr. Muhlium, durch die Hechel der Wahrheit gezogen ... Gedruckt im
dolsteinischen. 1705.
*3) Moller lIl, 824.
») Franz Juhius Lütkens war unter den sonst noch rein orthodoren „Gelehrten“
Dänemarks und Kopenhagens der einzige Vertreter des hoffähigen Pietismus. Geboren 1050
uu Dellien (7) im Lauenburgischen, besuchte er die Schule in Lüneburg und danach die Universität
zu Wittenberg. Schon als Schüler kam er unter Caspar Sandhagens, des Freuundes Speners,
Sinfluñ und liesi sich wie viele andere junge Theologen der Zeit auch nach seinem Universitäts-
sudium von diesem „Schriftgelebrten““ in das rechte (pietistische) Verständnis der Hl. Schrift
einführen. „Ich bin ein Bibelmann, das hat mich Sandhagen gelehrt“, pflegte er zu sagen