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laus Sibbern“ geführte auffällige Predigtweise zu ihm drangen, von vorn—
herein starke Aufmerksamkeit schenkte.
Als er im September 1705 „im Holsteinischen auf der Visitation begriffen
war“, beklagte sih Caspar Wildhagen, Diakonus (Compastor) in
Glückstadt“), „Beydes münd- und schrifftlich, daß, da er gelehret und ge—.
prediget, wie man nach Pauli Vermahnung an die Philipp. c. II. v. 12.
schaffen müsse, daß man selig werde mit Furcht und Zittern, dessen Collega
hme. da öffentlich wiedersprochen und geprediget: Wir wären hie schon würcklich
selig und dürfften nicht erst selig werden, sondern sind schon würcklich,
würcklich selig.“ Und als Wildhagen dann unter Berufung auf Röom.
8, 24 und 1. Joh. 3, 2 „die Gemeinde darauff unterrichtet hätte, wie die Selig⸗
keit in diesem, und wie sie in jenem Leben zu verstehen wäre ... da sey Sibbern
dennoch in verschiedenen Predigten auff seinen vorigen Expressionibus immer
geblieben. Auch da er im Examine Catechetico aus den Fragestücken (Luthers)
diese fürgetragen: Hoffestu auch seelig zu werden? und mit Ja! Ich hoffe es
wie die Antwort da lautet) geantwortet worden, habe er Luther um solcher Ant—
vort halber carpiret, und dabey von solcher Hoffnung, darin allein unser Trost
in diesem Leben bestehet, höchstverächtlich und lästerlich gesaget: Hoffen und
Harren macht manchen zum Narren, daran sich nicht wenige in der Gemeine sehr
geärgert“ “).
Da das Gegeneinanderanpredigen der Glückstädter Pastoren sich auf die
Dauer als untragbar erwies, shritt Johann Hieronymus von Pet—
kum, Propst von Münsterdorf, ein und versuchte in einer Verhandlung des
Münsterdorfer Konsistoriums eine gütliche Vermittelung zwischen den beiden
Streitern.
Der Versuch erwies sich jedoch als vergeblich. Denn erstlich stellt sich Petkum
in seinem Gutachten so einseitig auf Sibberns Standpunkt, daß Wildhagen sich
uinmöglich zufrieden geben konnte ““), zum anderen aber waren beide Kämpfer, ziem—
lich hartköpfig, namentlich Sibbern zeigt weiterhin alle Züge des in gewisse
Schriftworte verbohrten Fanatikers. Wildhagen wandte sich, wie bereits bemerkt,
an seinen Generalsuperintendenten und dieser gab ihm „Amptes wegen“ ein
ausführliches (Ss0 Quartseiten!) „Judicium“ über die Sache (5. Dez. 1705).
Vermutlich auf Schwartzens Rat wandte er sich auch an die Theologischen Fakul—
täten zu Wittenberg und Greifswald. Auch diese entsprachen seinem Wunsche und
s'andten ihre (bedeutend kürzeren) Gutachten.
Bereits in Schwartzens „Ju dicinm“ finden wir die Argumente,
welche er weiterhin geltend gemacht hat. Ich nenne nur einige: Hier im Gnaden—
reich haben wir Gläubigen (im Glauben und der durch den H. Geist vermittelten
Einwohnung Gottes in uns) die hauptsächlichsten Mittel der ewigen Seligkeit,
aber noch nicht diesse selbst. Wirklich sconsummatives) selig werden wir
»u) Nic. Sibbern, geb. zu Rendsburg (wann?), studierte in Kiel (und Jena), wurde
1080 Diakonus, 1093 Pastor in Glückstadt, fF 1712.
27) Caspar Wildhagen, geb. 1604 zu Trondhjem in Norwegen, sindierte in Kopen—
hagen, wurde 1085 Kaplan an der Schlosikirche zu Akershus, 1093 Nachfolger Sibberns im
Diakonat (Compastorat) zu Glückstadt, 17 10 deutscher Hofprediger in Kopenbagen, 1712 Bischef
in Viborg, f 1720.
) Theologische Belebhrungen S. 10.
au) Petkums Gutachten ist zu lesen in „Vier Schriften“ S. 192 -ÿ202, Scwwartzens
Widerlegung desselben in der „Erweiterten Widerlegung“ S. 308- 408.