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B. 2, K. 3, 8 70. Die Geistlichkeit
Die Küster galten, wenn auch als clerus minor, doch durchaus als per—
sonae eécclesiasticae. Sie hatten daher dieselben Privilegien wie die Prie—
ster (besonderen Gerichtsstand, Steuerfreiheit), aber musiten sich auch denselben
Beschränkungen der persönlichen Freiheit unterwerfen (ehrbare Kleidung, mo—
alisches Leben). Daß sie in noch höherem Maße als die Diakonen den Kirch—
herren amtlich untergeordnet und zum dienstlichen Gehorsam verpflichtet waren,
versteht sich von selbst.
Da, wie schon bemerkt, dort, wo es auf dem Lande Kaplane gab, diese in der
Regel auch als Küster fungierten und namentlich den Schuldienst in persona
zu verrichten hatten, gehen in dem ersten Jahrhundert nach der Reformation die
Begriffe Küster und Kaplan so stark durcheinander, dasi man sagen kann:
der Küster ist ein nicht geweihter Kaplan und der Kaplan ist ein ordinierter
Küster ).
Wo es aber keinen Kaplan gab — und so war es doch in den meisten Land—
gemeinden —, da hatte der Pastor meistens neben und unter sich einen „ordent—
lichen“, d. h. durch eine Pfründe besoldeten Küster. Da die Pfründen meistens
sehr gering waren, konnte man an die Qualitäten des Küsters keine allzugroßen
Ansprüche stellen. Die Forderung der KO, dast sie mindestens im Stande sein
sollten, den Bauerkindern den Katechismus „abzulehren“ (van sick tho lerende,
S. 83) und vollends die der Schulverordnung von 1844 (Rendtorff S. 29), dasi
sie den „lütken Burenkindern“ das Lesen beibringen könnten, war, wie man aus
Fabr. Vis.berr. ersieht, auch um 1640 herum noch keinesweges überall erfüllt.
Vielmehr mußten alte Küster für solche Künste öfters einen Substitutum,
etwa einen des Lesens fähigen größeren Jungen halten.
Aber es gab auch bessere Küsterpfründen, welche manche Kap—
aneien an Einkommen übertrafen. Für solche fanden sich mit Leichtigkeit auch
besser gebildete Bewerber. Ja, in Notzeiten suchten auch akademisch gebildete
Leute als Küster einen einstweiligen Unterschlupf.
So sollen zur Zeit des Interinis 1548 ff. „eine Menge“ vertriebener Prediger, besonders
aus den Gegenden des Niederrheins sich nach ShH geflüchtet und Schul-, resp. Küsterdienste
ingenommen haben (Jensen a. a. O. S. 292). — Von Klixrbüll wird berichtet:
„Simon Nissen war sechs Jahre Küster, und weil er studiert und sich im Predigen daun und
vann geübt, hat ihn die Gemein ohne sein Begehren und fast wider seinen Willen zum Caplan
Ae. 1592 erwählet, gleichwohl das er auch Küster und Schulmeister als vor bleiben sollte“
Jensen S. 277). — Ein besonderes Licht unter den Küstern scheint Knut Knudsen in Bro—
ackeer gewesen zu sein, der ao. 1052 jussu principis zum Pastor daselbst geweiht wurde.
Er wird als ein besonders fein gebildeter junger Mann (humanissimus vir juvenis) be—
zeichnet. Allerdings erfolgie diese Erhöhung nicht ohne weibliche Mitwirkung — er war mit
riner Magd der Herzegin verlobt, daher der Volkswitz spottete: Aff en klotte Foel kand
bliue en Hest; af Knud Degen er blefuen en Prest?t), — In Gettorf predigte
im Jahre 1556 vor Weihnachten anstelle des Kaplans der Küster. — In Husum waren
die Küster allemal studierte Leute, obwohl nicht ordiniert, sie predigten in der Klosterkirche und
»ekamen in der Regel später ein Pfarramt oder ein Rektorat. Auch die Hattstedter
Küster waren vielfach akademisch gebildete Leute, die später zum Pastorat avancierten (Lasi III,
360). — In Selent fand 1700 Muhlius (Vis.Ver.) als Küster einen Mann vor, der
*09) Nur daraus, daß dies Durcheinander auch schon im Mittelalter stattfand und die den
Küsterdienst verwaltenden ländlichen Kaplane in der Regel nur die Diakongts-, aber noch nicht
die Priesterweihe erhalten hatten, erklärt sich die merkwürdige Tatsache, daß im Dänischen die
Küster „deßne“ heisten, ein Wort das offenbar mit „Diakon“ zusammenhängt.
21) Aus einem schlichten Füllen kann werden ein Pferd, aus Knut, dem Küster, ein Pastor
wert. Val. Jensen S. 276.