Besetzung der Pfarrstellen
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altgermanischen „Eigenkirche““ und des Privatrechts aus: die Pastoren „ihrer“
Kirchen gehörten zu ihrem Gesinde und konnten wie dieses halbjährig aufgekündigt
werden, durften auch nicht vor Gericht mit ihnen stehen. So war es noch 1001
in Jellenbeke (Krusendorf) dem Pastor in die Vokation gesetzt worden (Klotz,
Vis. Bericht), ähnlich auch in Neukirchen (Wagrien). Klotz fand 1637 (Vis.
ber.) in Gettorf, daß die Kirchspielsjunker in die Vokationen ihrer Prediger einen
Passus hinein gesetzt hatten, daß, wenn diese mit ihnen oder ihren Untersassen
Mißhelligkeiten hätten, sie dieselben nicht vor die hohe Obrigkeit bringen, sondern
eine gütliche Verhandlung vor den andern Patronen und Kirchspielsjunkern suchen
sollten.
Solcher „wider Gottes geoffenbartes Wort, die Reichs-Constitutiones und
beschriebene Rechte lauffenden Erorbitantz“ hat die Constitution von 10536 (vgl.
oben S. 175f.) die kanonische Auffassung entgegengesetzt, daß der Priester ein
Diener nicht des Patrons, noch der Einzelgemeinde, sondern der Gesamitge
meinde, der „Kirche“ aAn der Einzelgemeinde und als solcher gegen
Willkürlichkeiten lokaler Gewalten zu schützen ist.
Ueberhaupt geht die Tendenz der weiteren kirchenrechtlichen Entwickelung dahin,
durch geeignete gesetzliche Masinahmen die Qualität der Pfarrbewerber zu ver—
bessern und alle Willkürlichkeiten bei der Pfarrstellenbesetzung immer besser aus
zuschalten. Bei aller Langsamkeit dieser Entwickelung und trotz gelegentlicher
Willkürlichkeiten, welche sich selbst die Hüter der Kirchenordnung, die Fürsten und
ihre hohen Beamten erlaubt haben, ist solche Bemühung nicht vergeblich gewesen.
Wir haben nun noch die einzehnen Akteder Pfarrstellenbe
sertz un g etwas näher anzuschauen. Won den Rechten des Patronates ist bereits
S. 238 ff., von der Wahl durch die Gemeinde S. 246 ff. gehandelt worden.
Wir haben jetzt noch zu reden von den Prüfungen, der Ordination und der
Introduktion.
5. Die Examina.
Wenn es ein Hauptfehler der alten Kirche war, daß für die wissenschaftliche
Bildung der Priester nicht genügend gesorgt wurde, und namentlich die gewöhn.
lichen Landgeistlichen sich meistens einer traurigen Unwissenheit erfreuten, so war
es demgegenüber von vornherein das Bestreben der neuen Kirche, für genügende
wissenschaftliche Qualifikation aller, auch der ländlichen Priester zu sorgen. Nach
der Reformation blieben allerdings zunächst auch höchst ungebildete Priester im
Amte, wenn sie sich nur der neuen Kirchenordnung unterwarfen und die neue Lehre
wenigstens äußerlich annahmen. Und auch von den neu anzustellenden wurde
nuerst nicht akademische Bildung als conditio sine qua non erfordert — diese
Forderung ist wohl erst um 16000 allgemein geworden. Aber von vornherein wer—
den in der reformatorischen Kirche gewisse Prüfungen vorgeschrieben, durch
welche die praktische und wissenschaftliche Eignung des Bewerbers vor der Ein
setzung in sein Amt festgestellt werden soll. Schon die KO schreibt ein doppeltes
Eramen vor, eins durch den Propsten vor der „Eschung“ eines Kirchendieners,
ind eins durch den Bischof vor der Ordination (S. 51).
Auch nachdem das Bistum gefallen und demnach die bezüglichen Bestimmungen
hinfällig geworden waren, blieb es in vielen Fällen bei diesen zwei Prüfun
gein, nämlich überall, wo der Propst bei der Präsentation mitzuwirken hatte,