B. 2, K. 3, 9 31. Die Geistlichkeit
die Ordination aber und mit ihr das Ordinationsexamen dem Superintendenten
zustand. Das pröpstliche Examen erhielt sich auch nach 1030, nachdem ausschließ—
lich den GGSS das Hauptexamen ') übertragen worden war, dort, wo der
Propst das Recht der Ordination behielt; es wurde in diesem Falle aber aus einem
Vorexamen zu einer Nachprüfung lexamen ulterius). Nur e in Examen war
naturgemäß dort notwendig, wo Propst und Superintendent nicht konkurrierten.
Das war vor 16030 in allen königlichen Aemtern der Fall — hier hatte nur
der Propst zu examinieren — und nach 1030 bei den gemeinschaftlichen Kirchen
sowie dort, wo der GSedie Propstei verwaltete — hier blieb es bei der einen
Prüfung durch den GS; endlich auch in den privilegierten Gottorfschen Landen,
Eiderstedt und Norderdithmarschen, zum Teil auch wohl in Süderdithmarschen,
soweit nämlich dort das Gemeindepatronatsrecht in Kraft blieb: hier hatte nur
der Propst, unter Hinzuziehung der Nachbarpastoren, zu prüfen (und zu ordi—
nieren). In Dithmarschen (und Eiderstedt) bestand, wohl aus alter Zeit her—
rührend, der Brauch, daß das Examen publice, vor dem Kirchenvolk, im Chor
der Kirche stattfand, wobei freilich dem Publikum ausdrücklich verboten war, von
sich aus Fragen an den Kandidaten zu richten.
Aber mit den der Ordination vorangehenden Prüfungen war ihre Zahl noch
keinesweges erfüllt. Noch kannte man nicht den heutigen Unfug, einen Men—
schen durch ein bestandenes Examen für sein ganzes Leben abzustempeln. Noch
war man von dem Aberglauben frei, daß eine einmalige Prüfung dem
Menschen einen character indelebilis der Wissenschaftlichkeit verleihe.
Sehr verständiger Weise sagte man sich: auch der in Ordinationsexamen
zut Bestandene kann im praktischen Amte viel vergessen, und der schlecht Be—
standene hat noch die Möglichkeit, sich zu bessern, wenn er nur immer wieder an
gefaßt wird. Daher hatten Pröpste und GGESS nicht nur das Recht, sondern
auch die Pflicht, die schon in einem Amte Stehenden vor jeder
Versetzungineinanderes Amtzueraminieren. Auch bei den
Visitationen sollte jedesmal die wissenschaftliche Tüchtigkeit der Geistlichen ein—
gehend untersucht werden.
Es ergab sich von selbst, daß diese Nachprüfungen in den meisten Fällen nicht
mit derselben Gründlichkeit wie das Ordinationseramen vorgenommen wurden,
oielmehr die Gestaltfreundlicher Kolloquien annahmen. Wie es etwa
dabei herging, mag uns ein Bericht des Königl. GG Erdmann, den ich
Const. V, S. 113 gefunden habe, lehren. Es handelt sich um die „Nachprüfung“
des zum Pastor in Segeberg in Aussicht genommenen Lorenz Hartung. Adressat
des Berichtes scheint der Segeberger Propst Burchardi zu sein. Erdmann schreibt:
Hochzuehrender Herr Confrater. Demselben verhalte ich in Eyl nicht, daß tit. Hr. Lau—
rentius Hartung, vocatus Pastor Seßgebergensis, sich heute dato alhier bey mir auf eine
kleine freundliche Conserence eingefunden, da wir ex novissima Pericope Evangelii
materiam disserendi genommen und daher in verschiedene locos Theologicos und pwar
die Vornehmsten gerathen. Mus zwar wie er auch selbst gestehen, daß ihm ein und anders
nicht eben so fort beygefallen, er auch bekennet, daß er pro multitudine laborum Eccle-
siasticorum die studia Positivo-polemica diese Jahre her nicht wie er gewolt, treiben
können; doch bekenne das auch hiemit, bona side, dasi er mir in vielen bene distinßuendo
et promte respondendo gute salissaction gegeben, und ich ihn ceu ex ungue leonem
vohl erkannt, dasser vorhin in solchen studiis nicht unbewandert gewesen. Aestimire ihn
i0) Für das generalsuperintendentliche Haupte ramen bürgerte sich der Ausdruck „Tentamen“
ein, der sich auch weiter erhielt, als aus der Hauptprüfung eine Vorprüfung geworden war.