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B. 2, K. 3, 6 34. Die Geistlichkeit
um ein Amt entgegentritt. Daß auch in dieser Beziehung die Behörden auf die
einem Christen geziemende Masihaltung in gleicher Weise wie auf Vermeidung
der „Immiseirung“ in weltliche Dinge gedrungen hätten, habe ich nicht gefunden.
In einem Zeitalter, in welchem sich die Macht der Fürsten zu einer absoluten
steigerte und der Adel trotzdem, wenigstens nach unten hin, seine alte Machtstel—
lung behauptete, war diese übertrieben loyale Haltung wenn nicht entschuldbar,
so doch erklärlich. Die Erziehung der Geistlichen zu ergebensten Dienern der
weltlichen Macht machte in der orthodoxen Periode gewaltige Fortschritte, um dann
im 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt zu erreichen. Das freie Wort der Kirche
nach oben hin, das im Reformationsjahrhundert doch auch bei uns noch vorkommt,
erlischt fast vollständig und macht sich nur noch in gelegentlichen unbeherrschten Aus—
hrüchen pathologischer Krakelerei Luft. Um so mehr würden wir uns freuen, wenn
auch nach unten hin die Demut Christi bei den Geistlichen zu finden wäre, und
sie uns in ihrer Mehrzahl als wahre christliche Seelsorger, die sich durch Liebe
und selbstverleugnenden Dienst das Vertrauen ihrer Pfarrkinder erworben hätten,
entgegentreten würden. Allein das ist nicht der Fall: erst mit der religiösen Ver—
tiefung der Orthodorie in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und der Aus—
breitung des Pietismus tritt in dieser Beziehung eine spürbare Besserung ein.
Der Geistliche der orthodoren Zeit zeigt sich auch darin als Nachfolger des katho—
lischen Priesters, das er zuerst und vor allem auf seine äußere Stellung hält und
teinen Pfarrkindern als absoluter Herr und streitbarer Kämpfer entgegentritt,
eine Haltung, welche diese damit erwidern, daß sie ihrem Pastor entweder mit
willigem Gehorsam oder bockiger Aufsässigkeit, selten aber mit Liebe und Ver—
trauen gegenübertreten. Es läßt doch tief blicken, wenn in dem auf Besserung
des Lebens und Wandels seiner Untertanen gerichteten Mandat Herzogs Friedrich
oom Jahre 1623 (BumM H, 242 ff.) den Leuten empfohlen wird, „auch außerhalb
der Predigt und Beichte ihren Prediger oder Beichtvater in Sachen des wahren
Christentums zu befragen und die Prediger öffentlich ermahnt werden müssen, solche
Unterrichtung zu geben ohne einige Widerwilligkeit, glimpf—
lhich und also, daß sie zu ihnen zu kommen keinen Scheu
tragenmögen.“
Mit der Streitbarkeit, die vielen Pastoren des 17. Jahrhunderts eigen war,
hängt zusammen die Unverträglichkeit der Kollegen, die uns na—
mentlich zwischen Pastor und Diaconus häufig begegnet und nicht selten den Ge⸗
meinden zum grösiten Aergernis wurde. Ob der Satz: Pastor solus pastor
deatus in jener Zeit entstanden ist? Jedenfalls traf er auf sie zu. Die Akten
aus dem 17. Jahrhundert sind voll von unerquicklichen Streitereien zweier Kol⸗
legen, und die Behörden hatten viel Not, mit Güte oder Strenge den erwünschten
Frieden zu stiften.
Langwierige Streitigkeiten bestauden z. B. um 16000 bei den beiden Lütjenburger
Geistlichn. Sie wurden so schlimm, dasi das Segeberger Konsistorium und die Rendsburger
Prönstespnode eingreifen mußten (Bunl, 525—–50). Als die Kollegen trotzdem weiter uneinig
blieben und sich sogar des Abendmahls enthielten, schritt auf Bericht des Propsten der König
in. Unter Androhung der Suspension vom Amte mußsitn sie sich feierlich vor der Gemeinde
versöhnen: der Vicepropst hielt eine eütserechende Predigt, „nach deren Endigung Gott und der
Gemeinde die gegebenen Aergernisse gebührender Andacht abgebeten“ wurden. Darauf musiten
die beiden Streiter sich äffentlich vor der Gemeinde die Hand reichen und mit einander kom—
nunizieren. Ob diese äusierliche auch zur inneren Versöbnung führte, melden die Acten nicht
Bu 1, 347 f.).
Was nun das im engeren Sinne amtliche Nerhalten der Geistlichen an—